Ernte:Matsch und Fliegen

Ernte in Niedersachsen

Immer extremere Wetterbedingungen und exotische Schädlinge die durch den Welthandel nach Deutschland kommen, machen den Bauern zu schaffen.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Pilz und Fäule haben Kartoffeln, Obst und Getreide befallen wie zuletzt im 19. Jahrhundert. Doch das bedeutet keine Hungersnot, sondern verstärkten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Regen und immer wieder Regen hat in diesem Jahr für schlechte Ernten in Deutschland gesorgt. Mit 43,5 Millionen Tonnen Getreide ernteten die Bauern elf Prozent weniger als im vergangenen Jahr. "Vielen Ackerbauern geht das Geld jetzt auch aus", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied bei der Vorstellung der Erntebilanz am Freitag. Die Pflanzen hätten seit Mai zu wenig Sonne bekommen und in feuchtwarmem Klima auf überschwemmten Feldern gestanden. So hätten Pilz und Fäule Kartoffeln, Obst und Getreide befallen so wie zuletzt Mitte des 19. Jahrhunderts - bloß dass es heute keine Hungersnot, sondern einen stärkeren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gab.

Rukwied nahm das zum Anlass, die Bundesregierung zur Zulassung von mehr Pflanzenschutzmitteln zu drängen. Europaweit sollte die Erlaubnis für die chemischen Stoffe vereinheitlicht werden, sagte er. Erst am Donnerstag hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat ausgesprochen. Ein Sprecher des Ökobauernverbands Bioland widerspricht. Gegen Nässe und faule Kartoffeln helfe auch eine vorbeugende Anbaumethode. Zwar hätten auch Biobauern in diesem Jahr den Pilzbefall mit dem Spritzen von Kupfer stoppen müssen. Doch in Zukunft setze man lieber weiter auf die Entwicklung widerstandsfähiger Gemüsesorten oder auf die Bearbeitung der Böden.

Im Juli hatte das Umweltbundesamt eine Analyse veröffentlicht, laut der auf Äckern, die ökologisch bewirtschaftet werden, doppelt so viel Wasser versickern kann wie auf konventionellen Feldern. Das habe in diesem Jahr zumindest gegen die Überschwemmungen geholfen. Bei vielen Pflanzen waren wegen der feuchten Böden die Wurzeln nicht gewachsen (siehe Wochengrafik).

"Der Verbraucher muss sich darauf einstellen, dass Qualität einen Preis hat"

Bauernpräsident Rukwied treiben allerdings noch ganz andere Sorgen um. Denn trotz weniger Ertrag blieben die Preise so niedrig wie zuvor. Vor allem Russland und die USA hätten 2016 sehr gute Ernten erlebt. Ihre Produkte bestimmten nun den Weltmarkt und brächten die deutschen Bauern in finanzielle Schwierigkeiten. Der weltweite Handel habe außerdem dafür gesorgt, dass immer mehr exotische Schädlinge nach Deutschland kommen. Seit zwei Jahren macht den Bauern etwa die Kirschessigfliege aus Asien zu schaffen. Sie vermehrt sich rasch und hinterlässt in den Früchten, auf denen sie saß, einen Essig-Geschmack. Nicht zuletzt sei das Wetter in den vergangenen Jahren immer extremer geworden.

Bauernverbandsvorstand Wolfgang Vogel forderte den Lebensmittelhandel auf, bessere Preise für Agrarprodukte zu zahlen. "Der Verbraucher muss sich darauf einstellen, dass Qualität einen Preis hat", sagte er. Besonders die Krise durch niedrige Milchpreise sei noch längst nicht über standen. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt habe zusätzliche Hilfen von 60 Millionen Euro in Aussicht gestellt, aber nur, wenn die Bundesländer 40 Millionen Euro beisteuerten, sagte Rukwied. Der Bauernpräsident rief die Länder auf, diesen Beitrag zu leisten. Die Bauern bekämen immer noch lediglich 20 bis 26 Cent für einen Liter Milch. Um die Kosten zu decken, müssten sie aber mindestens 35 Cent erhalten. Schmidt hatte bereits Finanzhilfen von mindestens 100 Millionen Euro angekündigt, aus der EU werden bis zu 58 Millionen Euro nach Deutschland fließen.

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