Pazifismus:Krieg statt Frieden

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Wolfram Wette: Ernstfall Frieden. Lehren aus der deutschen Geschichte seit 1914. Donat-Verlag, Bremen 2017. 640 Seiten, 24,80 Euro. (Foto: Donat Verlag)

Wolfram Wette rechnet mit dem Militarismus ab. Viele Namen von Kriegsgegnern, die kaum noch jemand kennt, erfahren eine verdiente Würdigung.

Von Joachim Käppner

Wolfram Wette gehört zu den Begründern der kritischen Militärhistorie in Deutschland und hat einst am Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr noch selbst erlebt, wie schwer diese durchzusetzen war. Seine Biografie von 1987 über den unseligen SPD-Wehrminister Gustav Noske in der Weimarer Republik gilt heute als Meilenstein der Forschung; sie wurde damals vom eigenen Institut aber behandelt wie das Werk eines verbohrten Stalinisten. Wette, 1940 geboren, schrieb über Wehrmachtssoldaten, die Juden retteten, und über Strukturen des deutschen Militarismus; er ist auch heute ein kritischer und produktiver Geist.

"Ernstfall Frieden" ist eines seiner persönlichsten Werke, mit Herzblut und Sympathie für die Frauen und Männer geschrieben, die sich seit der frühen Kaiserzeit jenem Militarismus entgegenstellten, der wie ein schwarzer Schatten über Deutschland hing und in Hitlers Vernichtungskrieg mündete. Immerhin, schreibt er, sind "Millionen von Deutschen von einer sozialdemokratisch und pazifistisch geprägten Gegenkultur geprägt gewesen" - die dann zum Ziel massiver Kriegspropaganda wurde.

Viele Namen, die kaum noch jemand kennt, erfahren hier eine verdiente Würdigung, wie Kapitänleutnant Hans Paasche, der 1919 die Verhaftung der Schuldigen am Krieg forderte und im folgenden Jahr vor den Augen seiner Kinder von Rechtsradikalen ermordet wurde. Oder der Pädagogik-Professor Friedrich Wilhelm Foerster, der schon 1930 vor der "geistig-politischen Kriegsvorbereitung" warnte. Oder die Macher des Friedensboten, der nach 1949 gegen die Wiederbewaffnung anschrieb.

Zur Auseinandersetzung lädt Wette besonders ein, wenn er den Kampf zwischen kriegerischen und den pazifistischen Denkmustern in die Gegenwart hinein verlängert. Wette ist erklärter Gegner der Auslandseinsätze und der "Enttabuisierung des Militärischen", gegen die er manch gute Argumente anführt. Andererseits haben die Nato-Interventionen 1995 und 1999 die serbische Gewaltpolitik und deren Massenmorde, systematische Vergewaltigungen und Vertreibungen schnell beendet; der Einsatz in Afghanistan seit 2001, anders als die Balkanmissionen, beruht auf einem klaren völkerrechtlichen Mandat der UN.

Aber darüber kann und soll man ja diskutieren, und einen wichtigen Beitrag zur Debatte um Krieg und Frieden bietet Wettes wirklich lesenswertes Buch. Man kann ihm nur zustimmen, dass die Friedfertigkeit der deutschen Zivilgesellschaft und ihr Misstrauen gegenüber militärischer Macht gerade in diesem Land eine historische Errungenschaft ist und nicht eine lästige Hürde auf dem Weg zu mehr "weltweiter Verantwortung", wie immer diese aussehen soll.

© SZ vom 28.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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