Erneute Proteste im Nahen Osten:Zorn und Sieg

Im Jemen wurden Demonstranten durch eine Granate verletzt. In Bahrain haben sich Tausende zur Beisetzung dreier getöteter Demonstranten versammelt und den Rücktritt des Königs gefordert. In Libyen protestierten Oppositionelle, während die Ägypter den "Freitag des Sieges" feiern.

Am Freitagvormittag sind im Jemen, in Bahrain und Libyen wieder tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Regierung zu demonstrieren und um die Opfer der vergangenen Tage beizusetzen. Im Iran hetzten Regierungsanhänger gegen die Opposition. In Ägypten versammelten sich die Menschen auf dem Tahir-Platz im Zentrum Kairos, um eine Woche nach dem Rücktritt Mubaraks den "Freitag des Sieges" zu feiern.

Egyptian pro-democracy supporters gather in Tahrir Square in Cairo

In Kairo versammeln sich über eine Millionen Menschen zum Freitagsgebet, um den Sieg über den langjährigen Präsidenten Hosni Mubarak zu feiern, der vergangene Woche zurückgetreten war.

(Foto: REUTERS)

Im Jemen sind bei einer Demonstration gegen die Regierung in der Stadt Taes mindestens 25 Menschen durch eine Granate verletzt worden. Unbekannte hätten den Sprengsatz mitten in die Menge geworfen, die sich im Zentrum der Stadt versammelt habe, sagten Augenzeugen am Freitag. Auch in anderen Städten des Landes wurden mehrere Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern der Führung verletzt.

In der Hauptstadt Sanaa griffen regierungstreue Demonstranten Kritiker mit Knüppeln, Stöcken und Äxten an, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Mindestens vier Menschen wurden verletzt. In der südlichen Stadt Aden, wo am Donnerstagabend drei Menschen bei Zusammenstößen zwischen Polizisten und regierungskritischen Demonstranten starben, wurden bei neuen Unruhen mindestens vier Menschen verletzt.

Seit Mittwoch starben in Aden fünf Menschen. Auch in Mukalla im Südosten des Jemen wurden drei Demonstranten durch Schüsse verletzt, als Zeugen zufolge die Sicherheitskräfte eine Kundgebung gewaltsam auflösten. Nach dem Vorbild anderer arabischer Staaten fordert die Opposition im Jemen den Rücktritt von Präsident Ali Abdallah Saleh. Er ist seit 32 Jahren an der Macht.

Im Iran sind zehntausende Regierungsanhänger einem Aufruf von Präsident Mahmud Ahmadinedschad gefolgt und haben in aufgeheizter Stimmung gegen die Opposition demonstriert. Die vor der Teheraner Universität versammelte Menge rief Todesdrohungen gegen die Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karubi: "Tod Mussawi, Tod Karubi".

Im Anschluss an das Freitagsgebet hatte das Regierungslager die Bevölkerung zu einer Großdemonstration aufgerufen, um "ihrem Hass, ihrer Wut und ihrer Verachtung" für die "Anführer des Aufruhrs" Ausdruck zu verleihen, wie es in einer am Donnerstag vom Staatsfernsehen verbreiteten Erklärung hieß.

Regierung verstärkt den Druck

Am Montag hatten tausende Regierungsgegner in der iranischen Hauptstadt demonstriert. Dabei wurden zwei Menschen erschossen. Die Regierung verstärkte seitdem den Druck auf die Opposition. Die beiden Oppositionsführer stehen bereits seit Tagen de facto unter Hausarrest, bislang konnten sie sich aber weiterhin mit Erklärungen an ihre Unterstützer wenden. Für Sonntag rief die Opposition landesweit zu neuen Protesten auf, um der bei der Montagsdemonstration Getöteten zu gedenken und um Mussawi und Karubi zu unterstützen.

In dem Golfstaat Bahrain haben sich Aktivisten und Angehörige zu einem Trauermarsch für drei Opfer der Polizeigewalt versammelt. Nach Berichten von Augenzeugen versammelten sich am Freitagvormittag rund 15.000 Menschen zu den "Märtyrer-Begräbnissen". Dabei blieb es bisher friedlich. Unter Rufen wie "Sunniten und Schiiten sind Brüder" und Appellen an die "nationale Einheit" zogen die Trauernden durch die Straßen. Auch wurden wieder Rufe gegen die Regierung des kleinen Golfstaats laut.

Der einflussreiche schiitische Geistliche Scheich Issa Kassim sagte nach seiner Freitagspredigt in einer Moschee der Ortschaft Darras, der Angriff der Polizei auf die Demonstrante auf dem Lulu-Platz in der Nacht zum Donnerstag sei ein "großes Massaker" gewesen. Die Polizei habe von vornherein geplant, die Demonstranten zu töten, nicht zu vertreiben. Mindestens vier Menschen waren am Donnerstag gestorben, als Sicherheitskräfte gegen Demonstranten vorgingen.

Die anderen Golfmonarchien hatten König Hamad bin Issa al-Chalifa am Donnerstagabend bei einem Außenministertreffen in Manama den Rücken gestärkt. Sie erklärten, die Staaten des Golfkooperationsrates (GCC) seien alle bereit, Mitgliedstaaten zu unterstützen, wenn deren "Sicherheit und Stabilität" gefährdet sei. Arabische Beobachter fragen sich nun, ob das benachbarte Saudi-Arabien Truppen nach Bahrain schicken würde, falls es den Sicherheitskräften dort nicht gelingen sollte, den Demonstranten auf Dauer die Stirn zu bieten.

Auch in Libyen demonstrierten am Freitag erneut tausende Demonstranten gegen Staatschef Muammar el Gaddafi. Augenzeugen zufolge patrouillierten Soldaten in den Straßen Benghasis. Später sollten in der zweitgrößten Stadt des Landes und in anderen libyschen Städten mehrere Regierungsgegner beigesetzt werden, die am Donnerstag bei heftigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften getötet wurden. Gaddafi selbst zeigte sich am Freitag kurz vor Anhängern auf einem Platz in der Hauptstadt Tripolis, gab aber keine Stellungnahme ab.

Demonstrationen gegen Gaddafi

Seit dem Beginn der Demonstrationen sind nach Angaben von Human Rights Watch mindestens 24 Demonstranten von Sicherheitskräften getötet worden. Sicherheitskräfte hätten auf Demonstranten geschossen, um die Mengen auseinanderzutreiben, erklärte die Menschenrechtsorganisation am Freitag unter Berufung auf Zeugen.

Staatschef Muammar al-Gaddafi will nun einen seiner Söhne ins Zentrum des Aufstandes schicken. Die libysche Zeitung "Al-Watan" meldete am Freitag, Al-Saadi al-Gaddafi, der international bisher vor allem als Spieler bei italienischen Fußballvereinen aufgefallen war, wolle nach Bengasi im Osten des Landes umziehen, um dort einen Aktionsplan zur Verbesserung der Infrastruktur umzusetzen.

Der Sender CNN zeigte Bilder des staatlichen libyschen Fernsehens von Freitag, die öffentliche Unterstützung für Gaddafi zeigen sollten. Dort waren Regierungsanhänger in Tripolis zu sehen. Gaddafi ließ sich in einem offenen Wagen durch die Stadt fahren. Am Straßenrand standen Menschen mit Gaddafi-Porträts. Gaddafi ist bereits seit mehr als 40 Jahren an der Macht. Viele Libyer beklagen Arbeitslosigkeit, Ungerechtigkeit und begrenzte politische Freiheiten. Gleichwohl halten Beobachter einen Volksaufstand wie im Nachbarland Ägypten für unwahrscheinlich. Denn die libysche Führung kann den Öl- und damit auch den Geldhahn aufdrehen und die meisten sozialen Probleme mildern.

In Ägypten versammelten sich über eine Millionen Menschen zum Freitagsgebet auf dem Tahrir-Platz in der Hauptstadt Kairo. Augenzeugen berichteten von einer entspannten und fröhlichen Stimmung. Es wurde damit gerechnet, dass nach dem Mittagsgebet am Freitag weitere Zehntausende Menschen zum Tahrir-Platz strömen. "Wir wollen den Druck auf das Militär aufrechterhalten", sagte ein Aktivist der Nachrichtenagentur dpa. Die Gruppen, die die Protestbewegung organisiert hatten, haben diesen Freitag den "Freitag des Sieges und der Fortführung" erklärt.

Am Rande des Platzes waren Panzer der Armee zu sehen, Soldaten und zivile Helfer überprüften die zum Platz strömenden Menschen an mehreren Zugangsschleusen. "Das ist eine Party. Wir sind froh, Mubarak ist weg", sagte einer der Demonstranten, die auf dem Platz zu der Musik einer Bigband aus hunderten in Paradeuniformen angetretenen Militärpolizisten feierten. Mubarak hatte sich am Freitag vergangener Woche zunächst aus Kairo abgesetzt und war noch am selben Tag zurückgetreten. Übergangsweise wird Ägypten nun von Militärs regiert.

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