Strom und Gas:Kanzler setzt auf erneuerbare Energien

Strom und Gas: Olaf Scholz beim "Tag der Industrie" des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).

Olaf Scholz beim "Tag der Industrie" des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Olaf Scholz zeigt sich unbeeindruckt von der Debatte um längere AKW-Laufzeiten und plädiert angesichts sinkender Gasimporte aus Russland für einen schnellen Ausbau regenerativer Stromquellen.

Von Kassian Stroh

Rasant steigende Energiekosten, drohende Erdgas-Engpässe im Winter - angesichts dessen setzt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weiter vor allem auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Idee, Atomkraftwerke länger am Netz zu lassen, lehnt er nicht generell ab, zeigt sich aber skeptisch. Man müsse "alle Hebel in Bewegung setzen, um die Strompreise zu senken", sagte Scholz bei einem Treffen des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) am Dienstag. Die erneuerbaren Energien seien die günstigsten, sie brächten "mehr Energiesicherheit und mehr Energiesouveränität" für Deutschland mit sich - und damit "langfristig" auch niedrigere Preise. "Diesen Weg müssen wir weitergehen."

Seit Wochen wird in der von ihm geführten Ampelkoalition aber über eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke debattiert. FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner forderte am Dienstag vor dem BDI erneut eine "offene, unideologische Debatte" darüber. Denn vor Deutschland lägen drei bis fünf Jahre mit Engpässen und Energieknappheit. "Zumindest über diesen Winter" müssten die Kernkraftwerke weiter Strom produzieren, verlangte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Johannes Vogel. Die Grünen als ihr Koalitionspartner lehnen dies ab: Fraktionschefin Britta Haßelmann sprach von "Scheindebatten" - der Atomausstieg sei "richtig und gut so".

Noch sind in Deutschland drei Atomkraftwerke in Betrieb, sie sollen im Dezember vom Netz gehen. Ob oder zu welchen Bedingungen sich das überhaupt verschieben ließe, ist unklar. Die Brennstäbe reichten bis Ende 2022, und bislang gebe es von Expertenseite keine Aussagen dazu, wie die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängert werden könnte, sagte Scholz am Dienstag nach einem Treffen mit dem Kabinett von Mecklenburg-Vorpommern. Er hatte bereits am Montag in einem Interview mit dem Münchner Merkur argumentiert, "wenn es problemlos möglich wäre, die Laufzeit um ein oder zwei Jahre zu verlängern, würde sich jetzt wohl kaum jemand dagegenstellen". Tatsächlich brauche man aber mindestens zwölf bis 18 Monate, die nötigen Brennstäbe zu kaufen. Deshalb helfe die Atomkraft akut nicht weiter.

Rasch mehr Strom brächte eine Verlängerung nur, wenn man bei den drei Meilern auf die eigentlich überfälligen Sicherheitschecks verzichte, ergänzte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) - wenn man also mehr Risiko in Kauf nehme. "Das scheint mir kein politisch kluger Entschluss zu sein." Auch die Betreiber der Anlagen sprechen von hohen Hürden für einen weiteren Betrieb.

CDU und CSU sehen das anders. Die Energieversorgung stelle die Industrie und die Haushalte vor große Probleme, deswegen müsse man alle Ressourcen berücksichtigen, die es gebe, forderte Friedrich Merz, der Vorsitzende der CDU und der Unionsbundestagsfraktion, bei seinem Auftritt vor dem BDI. Die drei noch verbliebenen Meiler länger laufen zu lassen, sei "sowohl technisch möglich als auch juristisch vertretbar". Das hatte am Montag auch CSU-Chef Markus Söder unter Berufung auf ein neues Gutachten gesagt.

Der Industrie-Verband macht sich diese Forderung aber nicht explizit zu eigen. Den Kanzler vor Augen begrüßte BDI-Präsident Siegfried Russwurm den Plan der Bundesregierung, kurzfristig mehr Strom aus der Kohleverbrennung zu gewinnen, um Erdgas zu sparen. Zudem müssten die erneuerbaren Energien und Stromtrassen "viel schneller" ausgebaut werden - ebenso wie die Infrastruktur für Flüssigerdgas. Von der Kernkraft sprach Russwurm nicht. Habeck warnte erneut vor den schweren wirtschaftlichen Folgen eines Erdgas-Lieferstopps - sie könnten schlimmer sein als die der Corona-Pandemie. Dass Russland die Lieferungen zuletzt deutlich gedrosselt hat, sei ein "Angriff auf uns", um "Not und Angst" zu schüren, sagte Habeck. Diese Strategie dürfe nicht erfolgreich sein.

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