Ernennung von Bischöfen:Warum China der Gewinner des Deals mit dem Vatikan ist

The Wider Image: Vatican deal a new trial for a Catholic village in China

Palmsonntagsprozession in der Provinz Hebei. Millionen Katholiken sind in der von Peking kontrollierten Staatskirche organisiert.

(Foto: Damir Sagolj/Reuters)
  • Der Vatikan und China haben am Samstag in Peking ein Abkommen unterzeichnet. Das soll regeln, wer neue Bischöfe im Land ernennen darf, und einen jahrzehntelangen Streit beenden.
  • Die Lage für Katholiken in China hat sich in den vergangenen Jahren verschlechtert.
  • China, das zu einer globalen Supermacht werden will, könnte von dem Abkommen profitieren.

Von Lea Deuber

Die junge Frau zieht einen Stapel Flyer aus ihrem Rucksack. Mit gesenktem Kopf drängt sie sich durch die Shanghaier U-Bahn. Sie wirft den Fahrgästen die zigarettenschachtelgroßen Papiere zu. Bei den meisten Passanten landen sie auf den Bildschirm des Smartphones. Ärgerlich wischen sie die Zettel auf den Boden.

Auf den Flyern steht ein chinesischer Vers des Johannesevangeliums. Der Name einer Kirchengemeinde fehlt. Auch eine Adresse. Die junge Frau gehört anscheinend einer Shanghaier Untergrundkirche an. Ihren Glauben zu verbreiten, das ist Teil ihrer Überzeugung. Trotzdem geht sie ein hohes Risiko ein. Wird sie von der Polizei entdeckt, könnte sie verhaftet werden. Seit Jahren geht China immer massiver gegen Religionsgemeinschaften im Land vor. Daran ändert auch das Abkommen nichts, das der Vatikan und China am Samstag in Peking unterzeichnet haben.

Drei Jahre wurde bis zur Einigung verhandelt und soll nun regeln, wer neue Bischöfe im Land ernennen darf. Normalerweise ist das ein Recht des Papstes. Die Kommunistische Partei Chinas lehnt das als unrechtmäßige Einmischung in innere Angelegenheiten ab. Durch den inzwischen 60 Jahre andauernden Streit gibt es Bischöfe, die vom Papst ernannt wurden und andere, die von Peking eingesetzt sind. Diese werden teilweise vom Vatikan anerkannt. Das neue Abkommen soll diese Praxis beenden. Der Wortlaut des Abkommens wurde zwar nicht veröffentlicht. Laut Berichten sollen aber alle Bischöfe zukünftig auf lokaler Ebene und durch Vorschläge von staatlichen Behörden bestimmt werden. Bei der unterzeichneten Vereinbarung handele sich "nicht um ein politisches, sondern um ein pastorales Abkommen", erklärte Vatikan-Sprecher Greg Burke am Samstag am Rande eines Besuchs von Papst Franziskus in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Das chinesische Außenministerium wiederum nannte das Abkommen "provisorisch".

Unter Beobachtern und innerhalb der Kirche ist das Abkommen stark umstritten. Durch den Konflikt teilen sich die bis zu 13 Millionen Katholiken in China in zwei Lager. Die vom chinesischen Staat anerkannte Kirche und die inoffizielle vatikantreue Untergrundkirche. Aus Angst vor Verfolgung treffen sich viele Gläubige in Privatwohnungen und melden ihre Kirchen nicht an. Viele Priester und Bischöfe werden immer wieder verhört und verhaftet. Kritiker fürchten, dass die Einigung ein Ende für diese Gemeinden bedeutet. Die Annahme, die Spaltung könnte durch das Abkommen aufgelöst werden, halten viele für blauäugig. Eine der schärfsten Kritiker ist der emeritierte Kardinal Joseph Zen Ze-kiun, der von 2002 bis 2009 Bischof von Hongkong war und in Shanghai aufgewachsen ist. Der heute 86-Jährige bezeichnete den Vatikan zuletzt als "naiv". Der Deal sei nicht mehr als ein "Ausverkauf" aus reiner Unkenntnis heraus. Es gebe Leute im Vatikan, die ein Abkommen "um jeden Preis" wollten, erklärte er jüngst in einem Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur. Kein Abkommen sei aber aus seiner Sicht besser als ein schlechtes Abkommen.

Tatsächlich hat sich die Lage für Katholiken in China trotz der laufenden Verhandlungen in den vergangenen Jahren verschlechtert. Beobachter sprechen vom härtesten Vorgehen, seit die Religionsfreiheit 1982 in die Verfassung aufgenommen wurde. Gemeindevertreter werden befragt und unter Druck gesetzt. Katholische sowie protestantische Gemeinden, die nicht offiziell registriert sind, werden aufgelöst. In vielen Kirchen wurden Kameras aufgehängt, um die Gläubigen zu überwachen. Neue Bestimmungen sehen zudem vor, dass Gemeinden, die Religionsunterricht und vergleichbare Dienste im Internet anbieten wollen, in der Zukunft eine Lizenz beantragen müssen. Der Antragsteller muss sich daraufhin auf "moralische Eignung" und "politische Verlässlichkeit" prüfen lassen. Das Verbreiten von religiösen Texten soll zudem verboten werden. Ebenso Livestreams von Predigten und Gebeten.

China ist der Gewinner

Betroffen sind auch die anderen der fünf anerkannten Religionen und Konfessionen, zu denen neben dem Katholizismus und dem Protestantismus der Buddhismus, Taoismus und der Islam gehören. Das Vorgehen gegen Uiguren und Angehörige anderer muslimischer Minderheiten in Westchina in den vergangenen Monaten weltweit für Kritik gesorgt. Mehr als eine Million Uiguren sollen aktuell in chinesischen Umerziehungslagern eingesperrt sein. US-Politiker hatten nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch im September Sanktionen gegen China gefordert.

Das alles steht nicht in dem Abkommen von Samstag. Es macht China zum Gewinner der neuen chinesisch-vatikanischen Freundschaft. Die katholische Kirche mit ihren 1,3 Milliarden Mitgliedern ist weltweit ein einflussreicher Akteur. China will zu einer globalen Supermacht werden. Dafür braucht es die Akzeptanz des Vatikans. Jetzt hat sie dessen Segen.

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