Ernährung:Die Last der Pizza

US-Wirte müssen künftig sagen, wie viel Kalorien ihr Essen hat.

Von Kim Björn Becker

Der größte Genuss stellt sich bekanntlich immer dann ein, wenn man sich keine Gedanken darum machen muss. So auch im gehobenen Restaurant: Der Hummer schmeckt noch einmal deutlich besser, wenn man sich auch noch den Luxus leisten kann, nicht einmal wissen zu müssen, was er eigentlich kostet - weil es sowieso keine Rolle spielt. Doch die sogenannte Damenkarte, die ohne Preisangaben auskommt, ist heute ebenso überholt wie die Vorstellung, dass fehlende Informationen irgendwie ihr Gutes hätten.

Der Trend geht in die entgegengesetzte Richtung, vor allem in den Vereinigten Staaten. Dort weisen die Speisekarten wie fast überall auf der Welt die Preise aus, doch nicht nur das. Von Mai 2018 an sind alle Gastronomen verpflichtet, zusätzlich mitzuteilen, wie viele Kalorien ein Gericht hat. Der Gast weiß dann also ganz genau, wie ihn das jeweilige Essen schädigt - finanziell und gesundheitlich. Die amerikanische Lebensmittelbehörde FDA will damit etwas gegen die grassierende Fettleibigkeit unternehmen. Denn viele Amerikaner ernähren sich nicht sonderlicht gut - fettiges Fast Food und stark gezuckerte Getränke haben bereits mehr als jeden Dritten fettleibig werden lassen. Bessere Informationen sollen den Menschen helfen, gesünder zu essen.

Fachleute halten das für einen vielversprechenden Ansatz. Die Kalorienangaben in Speisekarten seien ein "einfacher und wichtiger Schritt, achtsamer mit der Ernährung umzugehen", sagt der Münchner Ernährungsmediziner Hans Hauner. Denn viele Menschen haben gar keine Vorstellung davon, wie viel (oder eben: wenig) Energie sie jeden Tag über das Essen aufnehmen müssen - und wie schnell ein gehaltvolles Gericht den Rahmen sprengt. Ganz grob, sagt Hauner, könne man davon ausgehen, dass ein erwachsener Mann etwa 2400 Kilokalorien am Tag benötigt, eine Frau an die 1800. Einer Studie zufolge bringt eine Portion Schweinebraten aber bereits 1230 Kalorien - das sind zwei Drittel des gesamten Energiebedarfs einer Frau. Eine Pizza liefert fast genauso viel, 1120 Kalorien nämlich, und ein Döner Kebab noch 660 Kalorien.

Gerade bei Betriebskantinen hält es Hauner für besonders sinnvoll, wenn bei jedem Essen die Kalorienzahl angegeben würde. Denn bundesweit nehmen an die 15 Millionen Menschen in Kantinen ihr Mittagessen ein. "Das beliebteste Kantinenessen ist die Currywurst mit Pommes frites", sagt Hauner. Das Gericht hat der Studie zufolge mehr als 910 Kalorien. Kommen dann noch Getränke und ein Dessert hinzu, liefert allein das fettige Mittagessen bei Männern mehr als die Hälfte des gesamten Energiebedarfs.

Allerdings ist der Arzt skeptisch, ob reine Kalorienangaben wirklich gegen die zunehmende Fettleibigkeit helfen; auch in Deutschland ist inzwischen fast jeder Vierte viel zu dick. Man müsse die Zahlen nämlich auch richtig lesen können und wissen, wann ein Essen ungesund ist - das setzt die Bereitschaft voraus, sich damit zu befassen. Ein Ampelsystem mit den Farben Rot, Gelb und Grün könnte besser sein, sagt Hauner. Da müsste sich auch der Hummer nicht verstecken, er hat pro 100 Gramm nur etwa 90 Kalorien. Die einzige Zahl, die ihm im Restaurant noch zum Verhängnis werden kann, ist schließlich der Preis.

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