Ermittlungen zu Neonazi-Trio:Ließ BKA Handy-Daten von Verdächtigen löschen?

Im Fall der Zwickauer Neonazi-Zelle ließ das Bundeskriminalamt angeblich wichtige Ermittlungsdaten löschen - die Behörde bestätigt den Vorgang, widerspricht aber dem Vorwurf, Beweise zu unterdrücken. Bundesinnenminister Friedrich verlangt genaue Aufklärung Außerdem soll die US-Justiz helfen, die Internetaktivitäten der Terrorgruppe aufzuschlüsseln.

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat möglicherweise Ermittlungsdaten im Zusammenhang mit dem Zwickauer Neonazi-Trio bei der Bundespolizei löschen lassen. Dabei handele es sich laut Bild am Sonntag unter anderem um die Daten, die Spezialisten der Bundespolizei auf dem Handy eines mutmaßlichen Terror-Unterstützers entschlüsselt hatten.

Innenminister Friedrich nennt Arbeit mit V-Leuten 'sehr professionell'

Innenminister Friedrich will eine "umfassende Erklärung" vom BKA.

(Foto: dapd)

Der Vorgang habe Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) alarmiert. Sein Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche habe nach Angaben eines Ministeriumssprechers eine "umfassende Erklärung durch die Amtsleitung des BKA angefordert".

Das Bundeskriminalamt bestätigte inzwischen die Löschung von Daten. Um eine Verteilung der Daten auf verschiedene Behörden zu vermeiden, habe das BKA die Bundespolizei gebeten, als Kopie vorhandene Handy-Daten zu vernichten, sagte er.

BKA-Präsident Jörg Ziercke wies in scharfer die Behauptung zurück, seine Behörde enthalte der Justiz damit Daten vor und unterdrücke Beweise. "Das BKA schützt weder Neonazis noch Informanten aus der rechten Szene. Das BKA hat Beweismittel weder unterdrückt, noch manipuliert, noch vernichtet" erklärte er.

Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU) erklärte: "Hier handelt es sich um einen gravierenden Vorgang, der unverzüglich aufgeklärt werden muss. Es darf nicht einmal der Verdacht entstehen, dass es etwas verheimlicht werden sollte."

Ein Sicherheitsexperte sagte dem Blatt, der dubiose Vorgang "riecht nach Beweisunterdrückung durch das BKA". Polizeiexperten halten es demnach für möglich, dass das BKA Informanten im Umfeld der Neonazi-Zelle schützen wollte. Laut dem Blatt muss die Bundespolizei ihre Ermittlungsergebnisse üblicherweise mindestens bis zum Abschluss des jeweiligen Gerichtsverfahren aufbewahren, weil die Beamten wichtige Zeugen werden können. Dann müssten sie genau belegen, woher die von ihnen beschafften Beweismittel stammen.

Dass die Daten auf Betreiben des BKA vernichtet wurden, geht dem Bericht zufolge aus dem Mail-Verkehr zwischen den beiden Polizeibehörden hervor, der der Bild am Sonntag vorliegt. Demnach forderte eine BKA-Mitarbeiterin am 9. Dezember einen Bundespolizisten auf, diese Handy-Daten zu löschen. "Ich habe die Daten auf unserer Seite gesichert, du kannst die bitte löschen."

Bei der Löschaktion gehe es um Daten von zwei Handys, die vom BKA bei den Ermittlungen sichergestellt worden waren. Eines der Handys gehörte dem Festgenommenen. Er gilt als wichtigster Helfer des Neonazi-Trios, dem zehn Morde zur Last gelegt werden. Sein Mobiltelefon war den Fahndern am 24. November bei seiner Festnahme in die Hände gefallen.

US-Justiz unterstütz Ermittlungen

Die Untersuchungen zur Zwickauer Terrorzelle werden nach Informationen des Nachrichtenmagazins Focus auf die USA ausgeweitet. Die deutsche Justiz habe ein Rechtshilfeersuchen an die US-Kollegen gestellt, um Aufschlüsse über die Internet-Aktivitäten der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) zu erhalten.

Grund dafür sei eine neunseitige Liste, die in der ausgebrannten Wohnung des Trios gefunden worden sei. Auf dem Papier hätten Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ihre Mail-Adressen und Internetkonten nebst Zugangsdaten notiert. Teilweise handele es sich um Anmeldungen zu Foren für Computerspiele sowie bei Onlineshops. Besonderes Interesse der Fahnder habe ein Account von Zschäpe bei der Videoplattform YouTube geweckt, berichtete das Magazin weiter.

Dort soll sie sich mit dem Benutzernamen "Liese1111" angemeldet haben. Die BKA-Ermittler wollen den Angaben zufolge überprüfen, welche Filme sich Zschäpe ansah und ob sie eigene Videos ins Internet stellte. In einem internen BKA-Vermerk heißt es laut Focus, mit den YouTube-Daten ließe sich "auf die Ideologie des Nutzers" schließen oder sogar beweisen, dass Zschäpe über Täterwissen verfügte.

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