Süddeutsche Zeitung

Ermittlungen:In Hessen Festgenommener wird wegen Anschlags in Tunesien gesucht

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In den frühen Morgenstunden hat die hessische Polizei im ganzen Bundesland zahlreiche Wohnungen durchsucht. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) sagte, es sei gelungen, ein weit verzweigtes Netzwerk von Salafisten - einer besonders radikalen islamischen Strömung - zu zerschlagen. Ein Anschlag habe aber nicht unmittelbar bevorgestanden.

Ein Mann wurde dabei festgenommen. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt und das Hessische Landeskriminalamt teilten zunächst in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit, der 36-jährige Tunesier sei dringend verdächtig, seit August 2015 als Anwerber und Schleuser für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) aktiv gewesen zu sein.

Nun veröffentlicht die Generalstaatsanwaltschaft weitere Fakten: Demnach wird der Beschuldigte auch in Tunesien gesucht. Er steht im Verdacht, auf den Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis am 18. März 2015 beteiligt gewesen zu sein. Bei dem Angriff auf die Sehenswürdigkeit in der tunesischen Hauptstadt waren 24 Menschen getötet worden, viele von ihnen Touristen.

Freigelassen aus Auslieferungshaft

Der mutmaßliche Islamist saß in Deutschland bereits in Auslieferungshaft, musste aber nach einer Frist von 40 Tagen freigelassen werden. Der Grund: Die tunesischen Behörden hätten die notwendigen Unterlagen trotz wiederholter Erinnerung nicht rechtzeitig vorgelegt, heißt es vonseiten der Generalstaatsanwaltschaft.

Der Tunesier sei also am 4. November 2016 aus der Haft entlassen worden. Bis zu seiner Festnahme an diesem Mittwoch sei er "von Einsatzkräften des Hessischen Landeskriminalamts rund um die Uhr observiert" worden. Eine frühere Festnahme sei nicht möglich gewesen, weil dies den Ermittlungserfolg gefährdet hätte. Der Mann habe sich am frühen Morgen widerstandslos festnehmen lassen.

Er war nach bisherigen Erkenntnissen der Behörden im August 2015 als Asylsuchender in die Bundesrepublik eingereist und wurde kurz darauf festgenommen. Anlass für die Festnahme war allerdings erst einmal nicht das Festnahmeersuchen aus Tunesien, sondern eine noch zu verbüßende Freiheitsersatzstrafe von 43 Tage. Der Mann lebte nach bisherigen Erkenntnissen bereits von 2003 bis 2013 in der Bundesrepublik. 2008 war er wegen Körperverletzung verurteilt worden.

Details zu weiteren Verdächtigen und Untersuchungen

In Deutschland wird dem Tunesier vorgeworfen, ein Netzwerk von Unterstützern aufgebaut zu haben, mit dem Ziel, einen Terroranschlag in Deutschland zu verüben. Nach den bisherigen Erkenntnissen befand sich die Anschlagsplanung noch in einer frühen Phase, insbesondere stand noch kein konkretes Anschlagsziel fest.

Dem Beschuldigten werden die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung sowie die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen. Insgesamt wird nach Angaben der Behörden gegen 16 Beschuldigte im Alter zwischen 16 und 46 Jahren ermittelt.

Außer dem Hauptverdächtigen nennt die Generalstaatsanwaltschaft einen 16-jährigen Deutsch-Afghanen und einen 17-jährigen Deutsch-Iraker. Der Deutsch-Afghane steht im Verdacht, im September 2016 von Frankfurt aus über Umwege nach Syrien gereist zu sein. Dort soll er von islamistisch-terroristschen Gruppierungen im Umgang mit Schusswaffen und Sprengvorrichtungen geschult worden sein. Der Deutsch-Iraker soll Ähnliches versucht haben.

Im Zuge der Razzia wurden insgesamt 54 Objekte (Wohnungen, Geschäftsräume und Moscheen) in den Städten Frankfurt am Main, Offenbach am Main, Darmstadt, Limburg und Wiesbaden sowie in den Landkreisen Offenbach, Groß-Gerau, Marburg-Biedenkopf und im Main-Taunus-Kreis durchsucht. Etwa 1100 Polizeibeamte waren im Einsatz.

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