Ermittlungen gegen Zwickauer Terrorzelle:Beate Zschäpe, Frau an der Seite der Killer

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Beate Zschäpe wird durch neue Ermittlungen stark belastet: Die Bundesanwaltschaft prüft, den Vorwurf der besonders schweren Brandstiftung auf versuchten Mord zu erweitern. Zudem gehen die Strafverfolger mittlerweile fest davon aus, dass Zschäpe in die Mordtaten der mit ihr zusammenlebenden Neonazis Mundlos und Böhnhardt eingeweiht war.

Hans Leyendecker

Die Trappentreustraße liegt im Münchner Westend, hinter der Theresienwiese. Ziemlich am Anfang der Straße liegt der "Schlüsselnotdienst 24 Stunden für ganz München". Am 5. Juni 2005 gegen 19.05 Uhr wurde in dem Laden der 41 Jahre alte Grieche Theodorous Boulgarides von den Killern der Zwickauer Terrorzelle ermordet, weil er Ausländer war. Ein paar Stunden vor dem Mord, um 15.22 Uhr, wurde in Tatortnähe ein Handy mit der Nummer 0162/4639557 angerufen. Der Anruf kam, wie Ermittler später mit Hilfe einer Funkzellenauswertung feststellten, aus einer Telefonzelle, die sich in der Nähe der Polenzstraße in Zwickau befindet. In der Polenzstraße 2 wohnten von 2003 bis 2008 Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.

Das Luftbild zeigt das durch eine Explosion zerstörte Haus der Zwickauer Terrorzelle. (Foto: dapd)

Das Mobiltelefon war eines der vielen Handys der mutmaßlichen Terroristen. Das Telefon und eine auf die Rufnummer lautende Rechnung wurden im Brandschutt des Hauses gefunden, das Zschäpe nach dem Tod der beiden Männer am 4. November 2011 angezündet hatte. Bei der Aufarbeitung des Rätsels um die braune Terrorzelle, die zehn Menschen ermordet und zwei Sprengstoffanschläge begangen haben soll, haben die Ermittler bislang viele Fetzen eines Gesamtbildes gesichert. Aber immer wieder tauchen neue Fragen auf: Warum ging Zschäpe, die daheim geblieben war, in eine Telefonzelle, um Böhnhardt und Mundlos anzurufen? Wusste sie von dem bevorstehenden Mord?

Zschäpe sitzt in Köln in Untersuchungshaft und schweigt - was ihr Recht ist. Seit kurzem liegt die als vertraulich eingestufte Stellungnahme der Bundesanwaltschaft auf eine Haftbeschwerde der Zschäpe-Anwälte Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl vor. Das 23 Seiten lange Papier liefert bislang unbekannte Details über das Innenleben des Zwickauer Trios.

Aus Sicht der Ermittler hat Zschäpe nicht mitgeschossen, sie soll aber die treue Frau an der Seite der Killer gewesen sein - von Anfang an dabei, extrem rechts und, wahrscheinlich, über vieles im Bilde. Die in der Öffentlichkeit aufgekommenen Zweifel, ob man ihr am Ende wird nachweisen können, was man ihr vorwirft, beantworten die Ermittler so: Zschäpe soll noch viel tiefer verstrickt gewesen sein. Die Ermittler prüfen sogar, den von den Zschäpe-Anwälten angefochtenen Haftbefehl, der mit dem Verdacht auf schwere Brandstiftung begründet wird, sogar noch um den Vorwurf des versuchten Mordes erweitern zu lassen.

Die Geschichte der Beate Zschäpe, die in dem Papier auf Grundlage von 17 Sachakten ausgebreitet wird, ist in wichtigen Details neu. Bislang war nur bekannt, dass sie die Garage in Jena angemietet hatte, in der Mundlos und Böhnhardt Ende 1997 vier Rohrbomben bauten. In einem Gutachten des Landeskriminalamts Thüringen steht nicht nur, dass in der Bomben-Werkstatt Zigarettenreste gefunden wurden, die von Zschäpe stammen. In der Garage wurde auch eine Diskette entdeckt, auf der über ein "Türkenschwein", das "heut noch stirbt - so ein Pech", hergezogen wird: "Alidrecksau, wir hassen dich." Auf einer im Schutt des Zwickauer Hauses gefundenen Festplatte waren Ausschnitte eines Bekenner-Videos in ähnlicher Diktion: "Ali muss weg." In Zschäpes Wohnung fanden die Ermittler auch das Brettspiel "Pogromly" mit "SS"-Feldern und antisemitischen Spielkarten.

Die Ermittler folgern, das Trio sei Ende Januar 1998 nicht nur untergetaucht, um sich einer Verhaftung zu entziehen, sondern um eine Organisation im Untergrund zu bilden, die "organisiert ideologisch motivierte Mordtaten" begehen sollte, um ein "Klima der Angst" für Ausländer zu schaffen.

Der Beschuldigte Holger G., der ebenfalls in Untersuchungshaft sitzt, sagte aus, es habe Diskussionen mit "den dreien" im Untergrund gegeben, und diese hätten erklärt, "mehr zu machen". Das Trio habe sich bewaffnen wollen - also nicht nur die Männer. Die Bundesanwaltschaft geht von einer "Gruppenideologie" aus und sieht eine "hohe Wahrscheinlichkeit", dass Zschäpe gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt die terroristische Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gegründet hat. Aus dem Umstand, dass sie all die Jahre im Untergrund dabeigeblieben ist, obwohl ihr eigenes Ermittlungsverfahren bereits im Juni 2003 wegen Verjährung eingestellt worden war, schließen die Ermittler, dass die 36-Jährige weiterhin die Ziele der NSU verfolgt habe. Obwohl ihr keine Strafverfolgung mehr drohte, habe sie bis zuletzt im Untergrund "mindestens neun Aliaspersonalien" gehabt.

Das Papier der Ermittler liefert auch einen Einblick in das letzte Heim der Terrorbande in der Zwickauer Frühlingsstraße. Bei der Untersuchung der Wohnungen wurden Bewegungsmelder mit Beleuchtung vor der Keller- und der Haustür entdeckt, in einem Blumenkasten in der Küche war eine Überwachungskamera versteckt. Zwei weitere Kameras waren in der Wohnung, in der eine Maschinenpistole und ein Repetiergewehr mit abgeschnittenem Schaft griffbereit gewesen sein sollen.

Nach dem Tod der beiden Killer und nach dem Brand soll Zschäpe die Bekenner-Videos verschickt haben. Die Ermittler rekonstruierten, dass die Umschläge zwischen dem 5. und dem 6. November in Chemnitz, Leipzig und Eisenach eingesteckt wurden. An diesen Tagen war Zschäpe in diesen Städten. Die Ermittler sehen in den Videos "den letzten propagandistischen Akt der NSU". Auf allen Briefsendungen klebte eine Gedenkmarke "1100 Jahre Limburg a. d. Lahn". Die Terroristen der Roten Armee Fraktion frankierten ihre Post immer mit Briefmarken, die Frauenmotive zeigten.

© SZ vom 14.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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