Ermittlungen gegen die Zwickauer Terrorzelle:Treusorgende Komplizen

Mitglieder der militanten Neonazigruppe "Blood & Honour" sollen die Zwickauer Zelle jahrelang unterstützt haben - unter den Augen des Verfassungsschutzes. Umschwirrt von einem Fliegenschwarm aus Spitzeln und Agenten gelang es den Skinheads offenbar, das Trio vor den staatlichen Verfolgern abzuschirmen und zu versorgen.

Hans Leyendecker

Immer wieder waren staatliche Lauscher bei den besonders harten Kameraden der militanten neonazistischen Skingruppe "Blood & Honour" (B&H), Sektion Sachsen, in der Leitung. Quellen aus dem Milieu hatten 1998 berichtet, drei Skins seien untergetaucht und bräuchten dringend eine Waffe für einen geplanten Raubüberfall. Einer der drei Flüchtigen habe anonym für das Skinhead-Blatt White Supremacy geschrieben.

Die Beamten waren elektrisiert, denn der Autor war Uwe Mundlos, der vor dreizehn Jahren gemeinsam mit Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in Jena untertauchte. Die drei versteckten sich vermutlich, das berichteten Spitzel, in Dresden oder Chemnitz. Insgesamt schaltete sich ein halbes Dutzend Behörden in die Suche nach den Flüchtigen ein. In Dresden, wo sie nicht waren, und in Chemnitz, wo sie waren, wurden ihre konspirativen Verstecke vermutet.

Früh meldete der Brandenburger Verfassungsschutz, einer der Köpfe von "Blood & Honour" aus Sachsen, ein Jan W., sei mit seinen offenkundigen Bemühungen, Waffen für die drei zu besorgen, vorerst gescheitert, bleibe aber wohl dran. Auch ein Thomas S., der bei den Chemnitzer B&H-Leuten eine Größe war, sei verwickelt.

Ein Jahr später, am 8. Oktober 1999, überfielen Mundlos und Böhnhardt die erste Bank in Chemnitz. Sie waren bewaffnet und erbeuteten 5787,59 Mark. Am 13. November 1999 meldeten Verfassungsschützer, der B&H-Sektionsführer "Riese" habe bei einem Skinheadkonzert eine Geldspende für die "Drei" angeboten. S. habe spontan geantwortet, die drei bräuchten kein Geld mehr. Sie würden jetzt "jobben".

Das alles und noch viel mehr ist in vertraulich eingestuften Unterlagen diverser staatlicher Stellen dokumentiert. Mit Unterbrechungen dauerten die Abhöraktionen unterschiedlicher Ämter gegen Jan W. und andere bis Januar 2002. Das Ende ist bekannt. Im November 2011 rieb sich die Nation die Augen, dass die rechte Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) zehn Menschen ermordet hatte, und die Behörden waren erstaunt, dass sie keine Kenntnis von der Existenz der Zelle hatten.

Vitale Unterstützerszene

Jetzt hängen die Schatten der Vergangenheit über dem Land, und alte Akten sind wichtig geworden. Auch die Akten über die im Jahr 2000 verbotene B&H-Truppe. Vor ein paar Tagen leitete die Bundesanwaltschaft, die mit großer Intensität ermittelt, vier weitere Ermittlungsverfahren gegen Verdächtige aus der Neonazi-Szene ein. Auch gegen Jan W. und Thomas S. Die Strafverfolger hegen den Verdacht, die beiden ehemaligen B&H-Leute könnten den Untergetauchten eine Waffe besorgt haben.

Beide Männer sind Größen in der rechtsextremistischen Szene gewesen. Beide Namen tauchten auch im Zusammenhang mit der ehemaligen rechtsextremistischen Band Landser auf, die im vergangenen Jahrzehnt rechtskräftig als kriminelle Vereinigung abgeurteilt wurde: "Terroristen mit E-Gitarre", nannten sich Landser-Musiker. Jan W. soll die Produktion einer CD der Band organisiert haben. Thomas S. soll Geld für die Produktion bereitgestellt haben. Er machte später Aussagen bei den Ermittlungsbehörden.

Das mit der Waffe ist nur ein Anfangsverdacht. Auch in diesem Fall gilt die Unschuldsvermutung, aber bizarr ist das alles schon. Umschwirrt von einem Fliegenschwarm aus Spitzeln und Agenten war es offenbar den B&H-Nazis gelungen, das Trio vor den staatlichen Verfolgern abzuschirmen und zu versorgen. Die jetzt vorliegenden Fakten fügen sich zu einem Bild einer vitalen Unterstützerszene in den ersten Jahren - und die Behörden ahnten oder wussten, dass die von B&H immer mitspielten. Nur zum Zugriff kam es nicht.

Aus den alten Akten ergibt sich der Verdacht, dass es nicht nur um Waffen ging, sondern, dass B&H am Anfang angeblich sogar die Versorgung des Trios in den Verstecken abdeckte. Im Jahr 2000 meldete das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz, als mögliche Unterstützter des Trios stünden im Vordergrund: Jan W., Thomas S. sowie eine Mandy S. Gegen sie wird schon seit November ermittelt.

Die neuen und die alten Akten werfen Fragen auf: Warum funktionierte das Netz der Neonazis und warum war das Netz der Behörden so schlecht? Hatten sie immer nur Pech?

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