Eritrea:Zwei Gesichter eines Landes

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Der Krieg mit Äthiopien ist beendet, nun wurden die UN-Sanktionen aufgehoben. Das Land, aus dem viele Flüchtlinge kommen, könnte sich öffnen. Und tut es nicht.

Von Bernd Dörries

Wenn in den nächsten Wochen die Jahresrückblicke erscheinen, wird wieder viel von Donald Trump die Rede sein und vom Brexit. Und womöglich wird auch ein wenig Platz bleiben für die vielleicht erstaunlichste positive Entwicklung dieses Jahres: die Veränderungen in Äthiopien und Eritrea, die zu Jahresbeginn noch niemand für möglich gehalten hatte.

Im Januar waren die beiden ostafrikanischen Nachbarstaaten noch Todfeinde, im Sommer schlossen sie Frieden. Nun folgte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den jüngsten Entwicklungen und hob die Sanktionen gegen Eritrea auf. Das Land trage zur Stabilität der Region am Horn von Afrika bei. Etwas leiser sagen die Kontrolleure aber auch, dass sie seit Jahren keine Belege gefunden haben für das, was Eritrea die Sanktionen eingebrockt hatte: die Unterstützung der Islamisten von al-Shabaab in Somalia. Man kann Eritrea vieles vorwerfen, Menschenrechtsverletzungen und fehlende Demokratie, nur stimmen sollte es halt schon.

Das kleine Land feiert gerade ein Vierteljahrhundert seiner Unabhängigkeit, wobei vielen Bürgern nicht nach Feiern zumute ist. Zu Tausenden flüchten sie, sehr viele kommen nach Deutschland, wo keine andere Gruppe außer den Syrern so oft Asyl bekommt - mit einer Anerkennungsquote von mehr als 80 Prozent. Die Frage ist, ob das angesichts der jüngsten Reformen so bleiben sollte. Ist Eritrea mit der Aufhebung der Sanktionen nicht ein ganz normales Land geworden?

Wer durch die Hauptstadt Asmara läuft, sieht wenig, was es rechtfertigen würde, das Land als "Nordkorea von Afrika" zu bezeichnen. Es sieht hier eher so aus wie in der Toskana, vor der Kulisse italienischer Kolonialarchitektur wird flaniert und Espresso getrunken. Man trifft auf Eritreer, die seit Jahren als anerkannte Asylbewerber in Stuttgart leben, in der alten Heimat aber eine Disco betreiben. Tausende kehren in den Ferien zu Verwandten zurück. Sieht so ein Unrechtsstaat aus, dessen Bürgern Unterschlupf gewährt werden sollte?

Andererseits gibt es einen "Nationalen Dienst", der bedeuten kann, dass Bürger ein Leben lang als Soldat oder als Straßenarbeiter arbeiten müssen. Das kommt nach Ansicht der UN einer Versklavung nahe. Das Regime in Eritrea, das noch nie eine Wahl zugelassen hat, behauptete bisher, es habe das ganze Land militarisieren müssen, um sich gegen den übermächtigen Nachbarn Äthiopien zu schützen. Nun sind die Bedrohung und die Sanktionen weg - dem Regime fehlt plötzlich die Daseinsberechtigung. Nur ist dies der Regierung ziemlich egal. Man werde sich ändern und den nationalen Dienst auf 18 Monate verkürzen, sagten einige Minister im Sommer. Seitdem ist nichts geschehen, ist kein Zeichen der Öffnung erkennbar.

Der ewige Präsident Isaias Afewerki scheint öfters zu lächeln, ist aber offenbar derselbe Dickkopf geblieben. Ein Teil seiner Verbitterung ist verständlich, der Westen und die UN haben die Eritreer oft betrogen und sich stets auf die Seite des viel größeren Äthiopiens geschlagen, wegen sogenannter strategischer Interessen. Die Strategie des Regimes ist es nun, so lange wie möglich alles beim Alten zu lassen, egal was um die alternden Kader herum passiert. In Äthiopien haben junge Politiker den Wandel gebracht, der zum Frieden mit Eritrea führte. Dort wird wohl erst die nächste Generation für Wandel sorgen. Sofern sie nicht ins Ausland flüchtet.

© SZ vom 16.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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