Erika Steinbach:Die Unversöhnliche

Erika Steinbach ist für die Versöhnung mit den östlichen Nachbarn ungeeignet. Weil sie das weiß, richtet die Präsidentin des Vertriebenen-Verbands noch größeres Ungemach an.

Stefan Kornelius

Erika Steinbach hat ihr wahres Gesicht gezeigt. Es gleicht kaum dem von ihr selbst und ihrem Vertriebenen-Verband modellierten Bild einer versöhnungsbereiten und vorausschauenden Funktionärin am Scharnier zwischen Geschichte und Politik.

dpa, Bund der Vertriebenen, Schwarz-Gelb, Erika Steinbach

Der Streit um ihre Nominierung für den Stiftungsrat erschwert die Versöhnungsarbeit mit Polen: BdV-Präsidentin Erika Steinbach

(Foto: Foto: dpa)

Zu sehen ist nun: Erika Steinbach und der Bund der Vertriebenen reißen gerade vernarbte Wunden auf, sie benutzen ein Schlüsselkapitel europäischer Geschichte für enge Vereinsinteressen. Und sie kapern den politischen Betrieb der Bundesrepublik mit einem einseitig interpretierten Thema, polarisieren die Nation mit Lust und zwingen dem Land eine Geschichtsdebatte auf, die Jahre europäischer Versöhnungspolitik beschädigt.

Die Besetzung eines Gremiums für eine Stiftung, die sich mit einem schwierigen Kapitel der deutschen und europäischen Kriegsgeschichte im Jahre 65 nach Ende dieses Krieges befassen wird, sollte eigentlich keine großen Schwierigkeiten bereiten.

In 65 Jahren vernarbt jede Wunde an einem Baum, und neue Rinde entwickelt sich. Für die Politik sind 65 Jahre eine segensreich lange Phase, weil es immer weniger unmittelbar Betroffene gibt und die verbliebenen Zeitzeugen mit dem Alter Abstand und damit hoffentlich auch Gelassenheit entwickelt haben. Historisierung ist also eine grundsätzlich positive Entwicklung, weil sie zur Befriedung beiträgt. Der Name der Stiftung - Flucht, Vertreibung, Versöhnung - steht in geradezu brillanter Klarheit und Kürze für diese Versachlichung und Entpolitisierung. Wenn da nicht der Bund der Vertriebenen wäre.

Persona non grata

Dessen Präsidentin Erika Steinbach ist für die Versöhnungsarbeit mit den osteuropäischen Nachbarn ungeeignet. Sie mag diese Wahrnehmung von sich nicht teilen, aber es ist nun einmal eine Tatsache, dass Steinbach in Polen als persona non grata angesehen wird und sie deswegen keinem Stiftungsrat angehören kann, der sich die Versöhnung mit Polen zum Ziel setzt.

Bisher war es für Erika Steinbach ebenso unumstößlich, dass sie als Vertreterin ihres Verbandes den Anspruch auf den Sitz im Stiftungsrat nicht preisgibt. Es ging dem Bund der Vertriebenen um die Person, nicht um die Sache. Nun hat sich diese Lesart geändert. Plötzlich ist die Person Steinbach doch nicht mehr wichtig, dafür stellt der Verband neue Bedingungen, die geradezu den Atem rauben. Mit Hinterlist schreibt der Bund der Vertriebenen einen Forderungskatalog, der sich an die ursprüngliche Position des nationalkonservativen Flügels der Union anlehnt.

Damit schlichtet er keinen Streit, er sät neuen. Denn dem Stiftungsgesetz liegt ein mühsam ausgehandelter Kompromiss zwischen allen politischen Lagern zugrunde - plus komplizierte Konsultationen mit den europäischen Nachbarn. All dies würde nun in Frage gestellt, ginge die Politik auf die Steinbach'schen Forderungen ein und schriebe ein neues Gesetz.

Lesen Sie weiter, was passiert, wenn der BdV Erika Steinbach doch für den Stiftungsrat nominiert.

Was ist zu tun? Nichts.

Der Verband macht sich nicht einmal die Mühe, seine eigentlichen Absichten zu kaschieren. Würde die Stiftung neu besetzt, würde die Bundesregierung ihre Kontrolle aufgeben, würde das Deutsche Historische Museum als institutionelle Mutter der Stiftung verschwinden - dann ließe sich mit dem Vertriebenen-Thema wieder ordentlich Politik machen. Nationalkonservative Politik, Entschädigungspolitik, revanchistische Politik. Schon der Vorschlag, am Tag vor den Auftakttreffen der Parteien zu Jahresbeginn gesät, entfaltet diese Wir-kung.

Was also zu tun ist? Nichts, rein gar nichts. Die Bundesregierung muss auf den Vorschlag nicht reagieren. Denn nicht die Kanzlerin zaudert, Erika Steinbach zaudert, weil sie ihren Namen nicht zur Abstimmung vorlegen lässt. Stattdessen spricht sie von einem Kompromissvorschlag, der in Wahrheit eine politische Kriegserklärung ist. Erika Steinbach sieht, dass sie nicht vermittelbar ist, und richtet deshalb nur noch größere Zerstörung an. Die politischen Extreme in der Koalition sollen ordentlich gegeneinander in Stellung gebracht werden. Der öffentliche Vorstoß macht jede Einigung im Stillen unmöglich.

Eigentlich bedeutungslos

Wenn es aber keine Einigung gibt, was dann? Dann wird der Bund der Vertriebenen Erika Steinbach irgendwann doch noch für den Stiftungsrat nominieren. Das Bundeskabinett wird die Personalie mit den Stimmen der FDP ablehnen und damit der Union die Chance belassen, gegen die rechte Klientel das Fähnchen der Aufrechten zu schwingen. Ändern würde das nichts an der Tatsache, dass der Stiftungsrat ohne Erika Steinbach auskommen muss, notfalls ohne die Vertriebenen-Funktionäre insgesamt.

Das wird kein Schaden sein. Die eigentlich bedeutungslose Personalie beschäftigt schon viel zu lange die Politik. Die Historisierung dieser schwierigen Phase der europäischen Geschichte wird auch ohne den Funktionärs-Kader der Betroffenen gelingen. Vermutlich wird es dem Thema und der Bewahrung der Erinnerung auch an das Unrecht mehr dienen, wenn der Bund der Vertriebenen seinen überzüchteten Proporzklüngel nicht in die Arbeit der Stiftung mit einbringt. Flucht und Vertreibung lassen sich auch ohne die Steinbach'schen Gremien darstellen. Versöhnung kann nur ohne sie gelingen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: