Ergebnisse der Untersuchung:Dubiose Charaktere, schäbige Figuren

Moskau hat mit großem Aufwand versucht, den US-Wahlkampf 2016 zu beeinflussen.

Von Stefan Kornelius

In der jüngeren amerikanischen Geschichte gibt es vier große Verfahren, in denen Sonderermittler - ausgestattet mit staatsanwaltschaftlicher Autorität - die dunklen Seiten einer Präsidentschaft ausgeleuchtet haben: Watergate, Iran-Contra, Clinton-Lewinsky und nun der Einfluss Russlands auf den US-Wahlkampf 2016.

Die vier Abschlussberichte sind Dokumente von strafrechtlichem, aber auch historischem Wert. Der Watergate-Bericht räumte auf mit dem Mythos, dass eine gewaltige Intrige der Demokraten gegen Präsident Richard Nixon gesponnen worden war. Der Iran-Contra-Bericht machte klar, dass die Präsidentschaft Ronald Reagans trotz schwerer Verfehlungen nicht wirklich gefährdet war. Kenneth Starr, der Bill Clintons Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky untersuchte, lieferte das von der republikanischen Kongressmehrheit bestellte Material für ein Amtsenthebungsverfahren. Sein Bericht war mehr eine Charakterstudie Clintons als ein Katalog strafrechtlich relevanter Vergehen. Umso polarisierender wirkte er. Handsignierte Titelblätter wurden gerahmt, der Text aber auch auf Klopapierrollen gedruckt.

Die Ermittlungen haben zu 34 strafrechtlichen Anklagen geführt

Der Bericht von Sondermittler Robert Mueller ist noch nicht zur Gänze veröffentlicht, aber schon jetzt ist klar, dass die Untersuchung eine doppelte Wirkung entfaltet: eine unmittelbar strafrechtliche wegen Wahlmanipulation mit Anklagen und Verurteilungen; und eine langfristig politische, die über Stil und Charakter der Trump-Präsidentschaft Auskunft gibt und die Frage aufwirft, welche Anforderungen das polarisierte Amerika an sein politisches Spitzenpersonal stellt, vor allem in Bezug auf Integrität und Vorbildfunktion.

Jetzt schon haben die Mueller-Untersuchungen zum Einfluss Russlands auf den US-Wahlkampf zu Anklagen gegen 34 Personen in 199 unterschiedlichen Fällen geführt. Die Kernbotschaft aus diesen Verfahren: Russland hat umfassend und gezielt Einfluss auf die US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 genommen, es wurde manipuliert, gehackt, gelogen und intrigiert - mit Kenntnis der engsten Berater des Kandidaten Donald Trump. Seit zwei Jahren liefert die Mueller-Untersuchung einen stetigen Strom von Beweismaterial und deckt dabei Verwicklungen auf, die vor unterschiedlichen Gerichten im Land verhandelt werden. Donald Trump selbst aber konnte bisher keine direkte Verwicklung nachgewiesen werden.

Robert Mueller

Fast zwei Jahre lang untersuchte Sonderermittler Robert Mueller die Vorgänge.

(Foto: dpa)

Im Zuge der Ermittlungen wurden auch Anhaltspunkte für mögliche neue Straftaten gefunden, die nichts mit dem direkten Ermittlungsauftrag Muellers zu tun haben. Sie werden nun überall in den USA von unterschiedlichen Staatsanwaltschaften weiter verfolgt. Einen belastbaren Überblick über die Zahl dieser Verfahren und den exakten Gegenstand der in der Regel verdeckten Ermittlungen gibt es nicht. Sicher ist, dass die Mehrzahl der Verfahren bei Staatsanwaltschaften in New York (Southern District), Washington D. C. und Virginia anhängig sind. Es geht um Rechtsverstöße bei Wahlkampfspenden, Darlehensbetrug, Schweigegeldzahlungen und andere Delikte. Gegenstand dieser Ermittlungen könnten auch die Finanzen und mögliche Steuervergehen Trumps sein. In der Berichterstattung herrscht ein weitgehender Konsens darüber, dass diese Ermittlungen Trump nach seiner Präsidentschaft gefährlich werden könnten.

Ziel des Kreml war es, eine Präsidentschaft Hillary Clintons zu verhindern

Mueller indes konzentrierte sich auf die Aufdeckung der Russland-Spuren und die Verwicklung des Trump-Teams in die Manipulationen aus Moskau. Heute weiß man durch Muellers Ermittlungen und durch Geheimdienstberichte, dass Russland die Einfluss-Kampagne schon gestartet hatte, bevor Trump Kandidat der Republikaner wurde. Ziel war es, eine Präsidentschaft der Demokratin Hillary Clinton zu verhindern, die im Kreml als feindselig galt. Der wohl spektakulärste Coup gelang den Agenten mit dem Datendiebstahl vom Server der Demokratischen Partei und der Veröffentlichung des Materials auf der Plattform Wikileaks, was Ton und Dynamik des Wahlkampfs veränderte. Gleichzeitig operierten russische Agenten in den USA selbst, entweder als Akteure im Wahlkampf oder vor allem im Netz mit Millionen Botschaften in den sozialen Medien, die zielgenau Wähler in wechselanfälligen Bezirken angingen.

Die Mueller-Ermittlungen ergaben, dass einer von Trumps Wahlkampfberatern, George Papadopoulos, von diesen Umtrieben wusste. Drei andere Trump-Berater wurden im Walkampf tief in die Russland-Manipulationen verstrickt: Wahlkampfchef Paul Manafort, der außenpolitische Berater und spätere Sicherheitsberater Michael Flynn und der außenpolitische Berater Carter Page. Die eigentliche Ermittlungsdynamik begann, nachdem der damalige FBI-Direktor James Comey den gerade gewählten Präsidenten über mögliche Verwicklungen zu Russland aufklärte und wenige Monate später von Trump gefeuert wurde. In den Wirren um die Entlassung konnte sich Trump der Berufung eines Sonderermittlers nicht erwehren. Mueller nahm seine Arbeit auf.

Seitdem wurde neben den prominenten Trump-Zuarbeitern auch gegen zwei Gruppen russischer Staatsbürger Anklage erhoben - freilich ohne die Agenten wirklich fassen zu können. Die Anklage ermöglicht aber einen tiefen Einblick in die russische Einflusskampagne. Dabei stieß der Sonderermittler auf einen zweiten strafrechtlich relevanten Komplex: Verstöße gegen die Gesetze zur Wahlkampffinanzierung und mögliche wirtschaftliche Interessenskonflikte Trumps durch Geschäfte mit Russland. Zentrale Figur hier: Trumps langjähriger Anwalt und Strippenzieher Michael Cohen, der inzwischen zu einer hohen Haftstrafe verurteilt wurde und mit düsteren Andeutungen vor dem Kongress Trump weiter belastet hat. Aber auch Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und andere Familienmitglieder sind belastet, vor allem weil sie das Projekt Trump-Tower in Moskau noch betrieben, als Trump längst Kandidat war.

Mueller hat in den letzten zwei Jahren ein Panoptikum aus Dutzenden dubiosen Charakteren und schäbigen Figuren, wie dem früheren Nixon-Berater Roger Stone, ans Licht gezogen und damit für konstante Empörung bei Trump-Gegnern gesorgt. Allerdings auch für Erschöpfung. An Trumps Stil und an seine Leute hat man sich inzwischen gewöhnt.

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