Erfurt:Thüringer Landtag tritt zusammen

Das Parlament wird erstmals von einer Linken geführt. Eine neue Regierung soll im Februar folgen, hofft Ministerpräsident Bodo Ramelow, der auf eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung setzt.

Erstmals in Deutschland ist eine Linken-Politikerin an die Spitze eines Parlaments gewählt worden. Neue Präsidentin des Thüringer Landtags wurde am Dienstag Birgit Keller. Die bisherige Infrastruktur- und Agrarministerin der Linken erhielt bei der Abstimmung im Landtag in Erfurt 52 von 90 Stimmen und damit deutlich mehr als die 42 Stimmen der bisherigen rot-rot-grünen Koalition. "Das ist ein historischer Tag", sagte die Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow. Die Parlamentsspitze war fast 30 Jahre in der Hand der CDU, die seit der Landtagswahl nur noch drittstärkste Fraktion nach der Linken und der AfD ist.

Mit der Wahl der 60-jährigen Keller und vier Stellvertretern für ihr Amt ist das Thüringer Parlament einen Monat nach der Landtagswahl arbeitsfähig. Im Februar soll eine Regierung folgen. Trotz der schwierigen Machtverhältnisse - Rot-Rot-Grün fehlen zur Mehrheit vier Stimmen - will Ministerpräsident Bodo Ramelow zur Wiederwahl antreten und bei einem Erfolg eine neue Regierung bilden. "Ich strebe an, im Februar das Parlament zu bitten, für Klarheit zu sorgen", sagte Ramelow vor der Landtagssitzung.

Er hoffe, dass die bisherige Koalition aus Linken, Sozialdemokraten und Grünen dann als Minderheitsregierung weitermache und sich für ihre Projekte Mehrheiten im Landtag sucht, sagte Ramelow: "Ich werbe dafür, mehr Demokratie zu wagen und weniger nach Parteibuch zu handeln." Keller sagte, sie werde ihr Amt unparteiisch führen. "Ich sehe mich als Präsidentin des gesamten Landtags." Sie forderte die sechs Fraktionen zu Respekt und übergreifender Zusammenarbeit auf, damit tragfähige Entscheidungen vom Parlament gefällt werden könnten.

Bei der Wahl ihrer Stellvertreter fiel als einzige die AfD-Kandidatin Tosca Kniese durch. Die Wirtschaftsjuristin, die der Partei seit gut dreieinhalb Jahren angehört, erhielt 39 Ja-Stimmen, die AfD hat 22Sitze im Landtag. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Stefan Möller, kritisierte das Abstimmungsverhalten. Er wies darauf hin, dass die AfD bei der Landtagswahl zweitstärkste Kraft wurde. "Demokraten würden das akzeptieren."

Ramelow trat Befürchtungen entgegen, Thüringen sei wegen unklarer Mehrheiten im Landtag unregierbar. "Dieses Land hat eine Landesregierung, die handlungsfähig ist", sagte er. Wie in der Verfassung vorgesehen sei er im Amt, bis es eine neue Regierung gebe. Vor der ersten Parlamentssitzung habe er wie vorgeschrieben die Minister der rot-rot-grünen Landesregierung entlassen und sie gleichzeitig gebeten, ihr Amt bis zur Vereidigung einer neuen Regierung weiterzuführen. Dieser Bitte seien die Minister mit Ausnahme von Keller gefolgt.

Angesichts der schwierigen Mehrheitsverhältnisse haben bekannte Thüringer Persönlichkeiten zu einem Bündnis von Linke und CDU aufgerufen. "Wir, die Unterzeichner, fordern eine Koalition der Bürgerlichen in Thüringen mit der Linken und der CDU", heißt es in einer Online-Petition, zu deren Erstunterzeichnern der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm, und die Schauspielerin Katrin Sass gehören. Allerdings hat die CDU, die in Thüringen ihr bisher schlechtestes Ergebnis erzielte, ein Gesprächsangebot der Linken bereits ausgeschlagen.

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