Erfurt (dpa/th) - Die Beratungsstelle Ezra geht davon aus, dass rechte Angriffe mit Corona-Bezug 2022 zunehmen. „Was in diesem Jahr zu beobachten ist und was uns auch große Sorge macht, sind diese massiven rechten Mobilisierungen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie“, sagte Franz Zobel von der Thüringer Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.
„Die erinnern uns von Art und Umfang sehr an die rassistischen Mobilisierungen in den Jahren 2015 und 2016“, sagte Zobel und bezog sich dabei unter anderem auf Pegida-Demonstrationen. Auch damals sei in der Folge mehrere Jahre lang eine „krasse Eskalation von rassistischer Gewalt“ zu beobachten gewesen. Nicht nur Art und Umfang glichen sich, auch seien es Akteure und Akteurinnen aus der Zeit, die aktuell wieder auftreten.
Zuletzt versammelten sich am Montag wieder Tausende Menschen in zahlreichen Thüringer Orten zu unangemeldeten Protesten gegen die Corona-Politik. Allein in Gera kamen am Abend rund 4000 Menschen auf dem Theaterplatz zusammen. Im benachbarten Altenburg waren es 1300 Menschen. Größere Ansammlungen oder Aufzüge mit mehreren Hundert Beteiligten gab es unter anderem auch in Stadtilm, Hermsdorf, Saalfeld und Eisenach. Die Polizei zählte 53 Versammlungen mit insgesamt über 15 000 Teilnehmern. Seit Dienstag gelten in Thüringen noch striktere Kontaktbeschränkungen: Maximal zehn Personen dürfen sich noch treffen - sofern alle geimpft oder genesen sind.
„Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erleben derzeit eine wachsende Protestmobilisierung im Zeichen der Corona-Krise und entwickeln sich zum Motor einer bundesweiten Radikalisierung der Pandemie-Leugner*innen-Szene“, sagten das Kulturbüro Sachsen, das Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt und die Thüringer Beratungsstelle Mobit.
Die Corona-Inzidenz ist in Thüringen am Dienstag unter 500 gefallen. Das Robert Koch-Institut (RKI) wies allerdings darauf hin, dass die Daten derzeit kein vollständiges Bild der Lage bieten, weil über die Weihnachtstage wohl weniger getestet wurde und auch von einem Meldeverzug ausgegangen werden muss. Im Freistaat ist die Inzidenz weiter überdurchschnittlich hoch, während die Quote der zweifach geimpften Menschen unterdurchschnittlich ist.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow ist von der vergleichsweise großen Corona-Impfskepsis in den ostdeutschen Bundesländern überrascht worden. Es habe dies „überhaupt nicht“ kommen sehen, sagte der Linken-Politiker in einem Interview der „Thüringischen Landeszeitung“ (Dienstag). „Bei DDR-sozialisierten Menschen und in den neuen Ländern generell war bisher nachweislich in allen Impfkategorien die Impfbereitschaft wesentlich höher als in Westdeutschland. Ich habe beim mRNA-Impfstoff nicht mit der Ablehnung durch 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung gerechnet.“
Dass die relativ niedrigen Impfquoten ein Ausdruck einer Unzufriedenheit mit den Politikern sein könnten, wies Ramelow zurück: „Man muss mit gar keinem Politiker zufrieden sein, wenn es um medizinische Entscheidungen geht. Da sollte man mit seinem Arzt reden.“ Die ostdeutschen Bundesländer sind Schlusslichter beim Impfen gegen das Coronavirus. Das RKI gab die Quote der zweifach Geimpften mit Stand 27. Dezember etwa für Thüringen mit 65 an.
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