Schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage hat Pablo Iglesias Turrión nun bewiesen, dass er binnen kürzester Zeit Massen mobilisieren kann. Dabei ist der Mitbegründer der neuen linksalternativen Partei Podemos (Wir können) alles andere als ein Volkstribun oder Charismatiker.
Er ist eher zurückhaltend, ein radelnder Softie mit Pferdeschwanz, ein netter Kerl. Sein politisches Instrument sind die sozialen Netzwerke: Der 35-jährige Madrider Politologieprofessor hat fast eine Viertelmillion Follower auf Twitter, mehr als alle spanischen Spitzenpolitiker zusammen; die Facebook-Nachrichten seiner Partei erreichen über Multiplikatoren innerhalb kürzester Frist 750.000 Adressaten.
Und ein paar Zehntausend dieser Anhänger gingen am Montag auf die Straße, um die Abschaffung der Monarchie zu fordern - nur wenige Stunden nach der Abdankungsrede des Königs Juan Carlos.
Noch überraschender war das Abschneiden der Partei Podemos, die ihren Namen von einer südamerikanischen Landarbeitergewerkschaft übernommen hat, bei den Europawahlen vor zehn Tagen: knapp acht Prozent der Stimmen und fünf Sitze im EU-Parlament.
Dabei wurde Podemos erst zehn Wochen zuvor gegründet, es gab keinen öffentlichen Wahlkampf, keine Plakate, keine Fernsehspots. Iglesias und ein paar Mitstreiter, darunter ein pensionierter, auf Bekämpfung der Korruption spezialisierter Staatsanwalt, traten lediglich ein paar Mal in Talkshows auf, wo aber weder die Moderatoren noch die anderen Politiker sie sonderlich ernst nahmen. Nun wurden sie aus dem Stand in der Hauptstadt Madrid zur dritten Kraft.
Iglesias verspricht einen neuen Politikstil und fordert Transparenz
Damit hat Iglesias den ersten Schritt bei der Umsetzung seines neuen politischen Projekts getan: der Marsch durch die Institutionen, den er früher ablehnte. Stattdessen hatte er auf die Kraft der Masse gehofft, zunächst als Aktivist bei den Globalisierungsgegnern. Vor drei Jahren war er in der Protestbewegung 15-M aktiv, die Hunderttausende gegen das Sparpaket der Regierung auf die Beine brachte, dann aber nach dem Wahlsieg der Konservativen zerfiel.
Iglesias verspricht nun einen neuen Politikstil, direkte parteiinterne Demokratie über das Internet, ähnlich dem Programm der Piraten. Er verlangt auch Transparenz der Politik, woran es in der Tat in Spanien erheblich mangelt.
Vor allem steht Iglesias für klassisch linke Forderungen - Beschränkung der Macht der Finanzwirtschaft, Reichensteuer, Ausbau des Sozialsystems, Verstaatlichung der Energieriesen - sowie für grüne Kernziele: Umweltschutz, erneuerbare Energien, Öko-Landwirtschaft.
Er argumentiert streng rational, hat Daten und Fakten im Kopf. Dabei bedient er sich einer einfachen Sprache, auf diese Weise findet Iglesias ein Echo auch in Wählerschichten, die mit linker Ideologie nichts im Sinn haben, aber der etablierten großen Parteien überdrüssig sind. Denn die gelten als politisch inkompetent und als nahezu durchgängig korrupt.