Erfolg der Piraten im Saarland:Auf zur Selbstfindung!

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Die Piraten ziehen in den Landtag ein - und das, obwohl sie bis kurz vor der Wahl noch nicht einmal ein Programm hatten. Längst ist die Partei zu einer Projektionsfläche geworden für jene, die sich in den etablierten Parteien nicht mehr wiederfinden. Das birgt für sie nicht nur Chancen, sondern auch Risiken.

Hannah Beitzer

Den Piraten scheint zurzeit alles zu gelingen: Erst ziehen sie ins Berliner Abgeordnetenhaus ein, dann explodieren die Mitgliederzahlen und jetzt schaffen sie auch noch aus dem Stand im Saarland den Einzug in den Landtag. Fast acht Prozent der Wähler haben ihnen ihre Stimme gegeben, mehr als den Grünen (fünf Prozent) und viel mehr als der FDP (etwa 1,5 Prozent). ( Die aktuelle Hochrechnung können Sie in unserem Live-Blog nachlesen).

Mit fast 8 Prozent sogar die Grünen überholt: Anhänger der Piratenpartei jubeln in Saarbrücken bei der Wahlparty bei der Bekanntgabe der ersten Prognose. (Foto: dapd)

Dabei war die Ausgangslage im Saarland eigentlich nicht ideal: Bis kurz vor der Wahl hatten die Piraten hier nicht einmal ein Wahlprogramm, auch die Kandidaten mussten im Schnellverfahren bestimmt werden. Doch den Wählern ist das offenbar gar nicht so wichtig. Für sie sind die Piraten längst zu einer ernsthaften Alternative zu den etablierten Parteien geworden: Sie sind auf eine etwas schluffige Art sympathisch, sie sind unkonventionell und sie stehen außerhalb des politischen Establishments.

Während die großen Parteien damit beschäftigt sind, die Finanzkrise zu managen, unpopuläre Entscheidungen aus der Vergangenheit zu verteidigen und gleichzeitig immer neue fällen zu müssen, entsteht offenbar bei den Bürgern ein immer größeres Bedürfnis nach einer Partei, die jenseits der Tagespolitik Visionen entwickelt, die sich nicht von Sachzwängen leiten lässt. Momentan sieht ein nicht zu vernachlässigender Prozentteil der Wähler in den Piraten diese Partei.

Diese Sehnsucht nach einem anderen Politikstil birgt für die Piratenpartei auf der einen Seite enorme Chancen - scheinbar im Vorbeigehen gelingt es ihnen gerade, sich im politischen System zu etablieren. Anderseits entstehen hier enorme Erwartungen, die schwer zu erfüllen sind. Die Piraten werden mehr und mehr zu einer Projektionsfläche für all diejenigen Wähler, die den etablierten Parteien nicht mehr vertrauen, die sich mehr Mitbestimmung und direkte Demokratie wünschen.

Irgendwie nicht so wie "die Anderen"

Genau das könnte in naher Zukunft zum Problem werden: Die Piraten versprechen mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung - doch bisher ist kaum klar, was damit eigentlich gemeint ist. Sogar der Berliner Abgeordnete Christopher Lauer bemängelte kürzlich, dass diese für die Piraten so entscheidenden Begriffe viel zu vage seien und dass die Partei früher oder später klar definieren müsse, was sie damit eigentlich meint.

Wir reden über "Themen statt Köpfe" und Basisdemokratie. Was das konkret bedeuten soll haben wir ebenfalls nicht definiert. Wir wollen nicht so werden wie "die Anderen" haben aber noch gar nicht klar, was wir an "den Anderen" gut oder schlecht finden", schreibt Lauer.

Den Piraten steht also eine Phase der Selbstfindung bevor, eine Phase, in der sie klarstellen müssen, wie sie in das bestehende System passen, welche ihrer Grundsätze umzusetzen sind und vielleicht auch, von welchen Ideen man sich im politischen Alltag verabschieden muss. Es wird eine Phase sein, in der sich einige der neugewonnenen Sympathisanten wieder verabschieden werden. Doch wenn die Piraten ihren Ruf als Protestpartei loswerden wollen, führt daran kein Weg vorbei.

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