Erfolg bei den Midterms:Die "blaue Welle" ist real

Erfolg bei den Midterms: Schon im Sommer war die Metapher der "blauen Welle" bei Wahlkampfveranstaltungen, wie hier in Arizona, präsent.

Schon im Sommer war die Metapher der "blauen Welle" bei Wahlkampfveranstaltungen, wie hier in Arizona, präsent.

(Foto: AP)
  • Die Stimmauszählung dauert noch an, doch es zeigt sich: Die Midterms werden sehr wohl mit einem deutlichen Sieg der Demokraten enden.
  • Für die Republikaner sind zwei Entwicklungen besonders schmerzhaft: Der Verlust einer ihrer traditionellen Wählergruppen und Verluste in den Staaten des Mittleren Westens.
  • Bei weniger gebildeten, weißen Männern ist der Rückhalt zu Trump und den Republikanern ungebrochen.
  • Bei den Demokraten gibt es deshalb Stimmen, die sagen, nur ein weißer Mann könne Trump bei der nächsten Präsidentschaftswahl schlagen.

Von Alan Cassidy, Washington

Wahlen werden meist zweimal entschieden: zuerst an der Urne, dann in den Fernsehstudios. War es ein großer Sieg, eine große Niederlage - oder doch etwas dazwischen? Noch in der Midterm-Wahlnacht vom Dienstag, die mit der Abwahl eines demokratischen Senators begann, schälte sich in den USA eine Erzählung heraus, die in etwa lautete: Die Demokraten haben zwar das Repräsentantenhaus erobert, aber ziemlich knapp. Es gibt keine "blaue Welle". Als Präsident Donald Trump sich und seine Republikaner tags darauf zu den wahren Siegern ausrief, wurde diese Erzählung von erstaunlich vielen übernommen.

Ein definitives Ergebnis gibt es immer noch nicht, die Auszählung der brieflichen Stimmen dauert in mehreren Bundesstaaten an. Doch je mehr Resultate eintreffen, desto klarer wird: Die erste Erzählung war falsch. Die "blaue Welle" ist real - und die Midterms werden sehr wohl mit einem deutlichen Sieg der Demokraten enden.

Bis zu 40 Sitze könnte die Opposition im Repräsentantenhaus erobern, so viele wie nie mehr seit dem Watergate-Skandal. Landesweit erhielten die Demokraten am Dienstag etwa sieben Prozent mehr Stimmen als die Republikaner. Und selbst im Senat, wo ein Sieg der Opposition aufgrund der Ausgangslage ohnehin unwahrscheinlich war, wird es nun wohl bei netto zwei Sitzverlusten bleiben.

Für die Republikaner sind dabei zwei Entwicklungen besonders schmerzhaft. Erstens hat sich eine ihrer traditionellen Wählergruppen, die wohlhabenden, gut ausgebildeten Bewohner in den Vorstädten, von der Partei abgewandt. In manchen Gegenden, etwa im lange konservativen Virginia und wahrscheinlich auch in der kalifornischen Republikaner-Hochburg Orange County, geschah dies gar auf dramatische Weise.

Die zweite Entwicklung, die bisher weniger Beachtung fand: Die Republikaner verloren nicht nur an den Küsten und im Umfeld der großen Städte, sondern auch in jenen Bundesstaaten, die Trump 2016 den Einzug ins Weiße Haus ermöglichten - in den Staaten des Mittleren Westens.

Demokraten eroberten in einer Reihe von Staaten die Gouverneurssitze

Das betrifft neben den Sitzen im Repräsentantenhaus auch die vielerorts abgehaltenen Gouverneurswahlen. In einer Reihe von Staaten - Wisconsin, Illinois, Michigan und selbst im tiefroten Kansas - gelang es den Demokraten, Gouverneurssitze von den Republikanern zu erobern. In Pennsylvania, einem anderen "battleground state", setzte sich der demokratische Gouverneur problemlos durch.

Auch die Republikaner fuhren im Mittleren Westen einige Siege ein: In Ohio gewannen sie die Gouverneurswahl ebenso wie in Iowa. Doch insgesamt fällt die Bilanz für die Demokraten positiver aus, gerade angesichts der boomenden Wirtschaft, von der üblicherweise die regierende Partei profitiert.

All dies hat möglicherweise Folgen für die nächste Präsidentschaftswahl. Trump besiegte 2016 Hillary Clinton, weil er in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania hauchdünn siegte. Damit kam er im Electoral College, dem Wahlmännersystem, auf 46 entscheidende Stimmen. Der Datenjournalist Nate Silver hat nun im Online-Magazin FiveThirtyEight nachgezeichnet, dass, wenn man die in den Midterms fürs Repräsentantenhaus abgegebenen Stimmen in den einzelnen Bundesstaaten zusammenzählt, diese Wahlmänner den Demokraten zufallen würden. Damit kämen diese theoretisch auf die nötige Mehrheit im Electoral College.

Demokraten hoffen, weiße Wähler zurückzugewinnen

Das ist natürlich eine Spielerei. Niemand weiß, wie die politische Lage in zwei Jahren aussehen wird, und noch ist völlig unklar, wer bei den Demokraten Trump 2020 herausfordern wird. Zudem stand in den Zwischenwahlen nicht der Präsident auf dem Wahlzettel, sondern seine Partei.

Und doch: Den Demokraten macht Hoffnung, dass es ihnen diese Woche gelungen ist, bestimmte Wähler zurückzugewinnen. Vor allem: weiße Wähler. Laut einer Analyse des Thinktanks Brookings hat sich der Vorsprung, den die Republikaner bei Weißen genießen, im Vergleich zu 2016 halbiert. Besonders weiße Frauen mit College-Ausbildung wandten sich bei diesen Wahlen wieder verstärkt den Demokraten zu.

Die Bildungskluft wächst: Das ist eine weitere Erkenntnis aus den Zwischenwahlen. Das zeigt sich besonders daran, wie groß Trumps Rückhalt nach wie vor bei den weniger gebildeten, weißen Männern ist, denen der Präsident seine Wahl verdankt. Diese Stimmen sind in den Swing-States des Mittleren Westens entscheidend. Bei den Demokraten gibt es deshalb Stimmen, die sagen, nur ein weißer Mann könne Trump nächstes Mal schlagen.

Auch andere Präsidenten verloren die Zwischenwahl und siegten später trotzdem

Einer von ihnen ist Michael Avenatti, der als großspuriger Vertreter der Pornodarstellerin Stormy Daniels bekannt gewordene Anwalt, der 2020 selbst kandidieren will. Es tue ihm ja leid, er finde das selbst auch schrecklich, sagte Avenatti in einem Interview: "Aber das ist nun mal die Realität."

Wichtiger als die Hautfarbe oder das Geschlecht wird vielleicht die Frage, wo sich Trumps Herausforderer politisch verortet - und welchen Kurs er damit für die Demokraten als Ganzes setzt. Durchgesetzt haben sich in den Midterms vielerorts Kandidaten, die nicht am linken Parteiflügel politisieren, sondern näher an der Mitte.

Die junge Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortes, die zuletzt zu einem Liebling der Progressiven wurde, taugt deshalb nur bedingt zum Symbol für diese Midterms. Ihre Leistung bestand darin, in der parteiinternen Vorwahl im Sommer einen Establishment-Gegner zu verdrängen. Die eigentliche Wahl am Dienstag war in ihrem zutiefst demokratischen Wahlkreis in New York dann nur noch Formsache. Andernorts schnitten viele betont linke Demokraten eher schlecht ab.

Was heißt das alles für Trump? Auch andere Präsidenten verloren ihre erste Zwischenwahl deutlich. Das war bei Ronald Reagan so, bei Bill Clinton und bei Barack Obama. Alle gewannen dann ihre Wiederwahl locker. Doch wenn sich bei Trump eines gezeigt hat, dann dies: Antworten liefern historische Vergleiche nur selten.

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