Erfindung:Verzieh dich!

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Forscher entwickeln neue Methoden für rauchfreies Grillen.

Von Titus Arnu

Wenn Nikotinsüchtige rauchfrei werden wollen, können sie sich helfen lassen - durch Nichtraucher-Seminare, Apps, Hypnose, Akupunktur und Medikamente. Gegen eine andere Art von Rauch gab es bisher kaum ein Mittel. Wenn der Nachbar auf dem Balkon Schweinenackensteaks ankokelt und stinkende Schwaden die Umgebung verpesten, wünscht man sich dringend eine Nichtraucherinitiative für Hobby-Griller.

Im Pandemie-Jahr wird in Deutschland noch extensiver gebrutzelt als sonst, selbst im November. Wintergrillen ist im Trend. Solange sich nicht zu viele Menschen um die Würstchen gruppieren, ist das erlaubt. Das Einräuchern der Nachbarn führt dagegen oft zu Unmut. Nicht nur wegen der olfaktorischen Belästigung, auch wegen der Luftschadstoffe. Holzkohle ist eine dreckige Angelegenheit. In 17 deutschen Städten gibt es Überlegungen, sie wegen der hohen Feinstaubbelastung zu verbieten.

Wie lassen sich Emissionen beim Grillen reduzieren? Darüber haben Ingenieure, Chemiker und Verfahrenstechniker nachgegrübelt, bis ihnen die Köpfe geraucht haben. Dabei herausgekommen sind innovative Produkte, die das Grillen zu einer sauberen Sache machen sollen. Spezialgrills, die mit batteriebetriebenen Ventilatoren ausgestattet sind, sorgen mit einer ausgeklügelten Belüftungstechnik für eine geringere Rauchentwicklung. Elektrische Anzünder reduzieren den Qualm. Natürlich könnte man auch einen Gas- oder Elektrogrill verwenden. Doch viele Hobbyköche schwören wegen des rauchigen Aromas auf die gute alte Holzkohle.

Wie gewöhnt man also der Kohle das Rauchen ab? Der Münchner Unternehmer Kresimir Sommer experimentierte so lange herum, bis ihm eines Tages eine zündende Idee kam. "Ich habe mich gefragt, warum Bäume qualmen, wenn man sie verbrennt", sagt er, "und wie man die im Holz enthaltenen Schadstoffe herausfiltern kann." Er entwickelte einen Retortenofen, in dem er einheimische Holzarten wie Buche, Eiche und Heimbuche verkohlt, das genaue Rezept verrät er nicht. Das Ergebnis heißt "Woody", eine feinstaubreduzierte, schadstoffarme Holzkohle, die nicht raucht.

Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart hat die neuartige Grillkohle untersucht und deutlich niedrigere Schadstoffemissionen beim Abbrennen gemessen. Die Feinstaubwerte sind stark reduziert, im Vergleich zu herkömmlicher Holzkohle um 82 Prozent. Die Nichtraucher-Kohle liegt unter dem von der EU angestrebten Feinstaub-Grenzwert. Ähnlich sauberes Brennmaterial produziert die Kölner Kohle-Manufaktur: Deren Grillbriketts aus heimischer Kohle verglühen raucharm, unterschreiten aber nicht die Feinstaub-Grenzwerte.

In Japan ist rauchfreies Grillen übrigens ein uralter Hut. Dort wird seit mehreren Jahrhunderten Binchotan hergestellt, eine hochwertige Holzkohle. Sie ist so rein und hart, dass man sie auch als Aktivkohle zum Wasserfiltern benutzen kann. Allerdings muss man für diese Superkohle viel Kohle ausgeben, zehn Kilo kosten um die 200 Euro - für deutsche Billigfleisch-Brutzler indiskutabel. Doch aus der Profigrillszene sind rauchfreie Briketts aus Hartholz kaum noch wegzudenken. Schließlich entsteht das typisch rauchige Röstaroma auch ohne schädliche Abgas-Schwaden.

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