Süddeutsche Zeitung

Syrien:Gemeinsame Botschaft gegen Erdoğans Krieg

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In einem seltenen Akt der Geschlossenheit verurteilen Außenpolitiker aus Europa und den USA den türkischen Einmarsch in Nordsyrien - und fordern mehr Engagement der EU.

Von Stefan Braun, Berlin

Eigentlich sollte so ein Schritt selbstverständlich sein - als Zeichen der Geschlossenheit, als Botschaft der Gemeinsamkeit. Doch weil genau das seit dem Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus nicht mehr sicher scheint, ist die Erklärung westlicher Außenpolitiker, die nun öffentlich geworden ist, so außergewöhnlich.

In einem gemeinsamen Appell der Vorsitzenden der Auswärtigen Ausschüsse in Berlin, Paris, London, Brüssel und Washington wird der türkische Einmarsch in Nordsyrien hart kritisiert, das Verhalten von Trump verurteilt und die EU aufgefordert, endlich selbst aktiv zu werden. Es hat lange gedauert, bis eine derartige Botschaft der Geschlossenheit mal wieder so deutlich formuliert wurde.

In dem Appell, an dem sich von deutscher Seite der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, beteiligt hat, heißt es, man verurteile "in schärfster Form" die türkische Militäroffensive in Nordsyrien. Alle Mitunterzeichner werten den Einmarsch als "militärische Aggression" und eine Verletzung internationalen Rechts. Die Offensive verursache dramatisches Leid unter der Zivilbevölkerung, zwinge viele Menschen zur Flucht und destabilisiere Syrien und seine Nachbarn.

"Wir brauchen ein sofortiges und gemeinsames Handeln"

Zu den Unterzeichnern gehören neben Röttgen die Vorsitzenden der Auswärtigen Ausschüsse der Parlamente in Frankreich (Marielle de Sarnez), Großbritannien (Tom Tugendhat), der EU (David MacAllister) und der Vereinigten Staaten (Eliot Engel). Die Fünf halten es für grundfalsch, die syrischen Kurden im Stich zu lassen. Die Demokratischen Kräfte Syriens seien Partner im globalen Kampf gegen den islamistischen Terror. Sie hätten massiv zum "erfolgreichen, aber noch nicht abgeschlossenen Kampf gegen die IS-Milizen" beigetragen - und das auch mit einem hohen Blutzoll in den eigenen Reihen bezahlt.

Umso bedauerlicher sei die Entscheidung Trumps, die US-Truppen zurückzuziehen. Der Beschluss müsse als weitere Wegmarke einer veränderten Außenpolitik der USA in der Region betrachtet werden. Ohne dass das Quintett es direkt ausspricht, wird deutlich, wie kritisch sie diesen Schritt betrachten. So heißt es weiter: "Das Chaos, das der türkische Einmarsch auslöst, könne zur einem Wiedererstarken des IS beitragen und jahrelange Anstrengungen im Kampf um mehr Stabilität in der Region kaputt machen." Deutlicher lassen sich die fatalen Folgen von Trumps Entscheidung kaum zusammenfassen.

Es ist lange her, dass Politiker dieser Länder in einer solchen Form der Geschlossenheit sowohl die Politik Trumps als auch das Verhalten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan kritisiert hätten. Umso wichtiger erscheint es den fünf offenkundig, dass es selbst in Zeiten harscher Töne zwischen Großbritannien und der EU und noch harscheren Tönen zwischen Washington und Europa möglich war, diese Botschaft der Gemeinsamkeit zu formulieren.

In diesem Zusammenhang formulieren sie nicht nur Kritik, sondern auch die klare Erwartung, dass die EU sich endlich entschlossen um eine Lösung des Konflikts kümmert. "Wir brauchen ein sofortiges und gemeinsames Handeln", schreiben die fünf. "Der schreckliche Krieg berührt und beeinflusst das Leben der Menschen in unseren Ländern enorm. Deshalb fühlen wir uns als Mitglieder unserer Parlamente aufgerufen, unsere gemeinsame Position sehr klar zu machen." Mit diesem Appelll verbünde man sich über Parteigrenzen und Länder hinweg, um "die gemeinsamen Werte, die gemeinsame Verantwortung und die gemeinsamen Interessen" deutlich zu machen.

Ob die Erklärung viel bewirken wird, ist offen. Wichtig dürfte allen fünf sein, eine solche Geschlossenheit unter westlichen Verbündeten deutlich machen zu können. Röttgen sagte dazu, der zunächst vereinbarte Waffenstillstand sei ein guter Schritt; trotzdem sei schon viel Leid verursacht worden. Dies zu verhindern: Darum gehe es.

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