Nato-Erweiterung:Erdoğan lässt Schweden zittern

Nato-Erweiterung: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bremst weiter die Hoffnung Schwedens auf einen schnellen Nato-Beitritt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bremst weiter die Hoffnung Schwedens auf einen schnellen Nato-Beitritt.

(Foto: Umit Bektas/Reuters)

Kurz sah es so aus, als könnte Schweden doch noch bis zum Gipfel von Vilnius Nato-Mitglied werden. Nun mauern Ankara und Stockholm doch weiter.

Von Alex Rühle, Stockholm

Das Bangen geht weiter: Nachdem es einige Tage so geklungen hatte, als ob die Türkei nun doch bereit sein könnte, dem schwedischen Nato-Antrag zuzustimmen, zweifelte am Mittwoch der alte und neu gewählte Präsident Recep Tayyip Erdoğan einen Beitritt Schwedens bis zum Nato-Gipfel in Vilnius wieder an. "Schweden hat Erwartungen, aber das bedeutet nicht, dass wir uns an diese Erwartungen halten", sagte Erdoğan laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Erst, so Erdoğan, müsse Schweden die Demonstrationen von "Terroristen" in Stockholm stoppen. "Solange Sie dieses Problem nicht lösen, können wir der Mitgliedschaft Schwedens nicht zustimmen."

Anfang Juni hatten sich mehrere Hundert Menschen in Stockholm versammelt, um gegen den Nato-Beitritt und das neue schwedische Terrorismusgesetz zu demonstrieren, das am 1. Juni in Kraft getreten ist und das die Beteiligung an terroristischen Organisationen verbietet. Das Gesetz wurde als wichtiges Puzzleteil für Erdoğan und die Türkei angesehen, um Schwedens Antrag zu genehmigen. Viele der Demonstranten hatten PKK-Fahnen dabei. Erdoğan hat Schweden mehrmals beschuldigt, Zufluchtsort für PKK-Terroristen zu sein.

Nach Erdoğans Vereidigung Anfang Juni hatte Nato-Chef Jens Stoltenberg angekündigt, dass neue Gespräche über eine schwedische Mitgliedschaft geführt würden und dabei betont, Schweden habe mit Einführung seines Terrorgesetzes alle Forderungen der Türkei erfüllt. Am vergangenen Sonntag hatte dann der neue türkische Sicherheitsberater Akif Çağatay Kılıç gesagt, es gebe zwar noch einiges zu besprechen, Schweden sei einer Zustimmung Ankaras jetzt aber näher als vor einem Jahr.

Die Türkei hofft auf amerikanische "F-16"-Jets

Die schwedische Delegation, die am Mittwoch zu einer neuen Gesprächsrunde nach Ankara geflogen war, klang dementsprechend hoffnungsfroh, in letzter Minute doch noch den Antrag durchzubekommen, auf dass Ministerpräsident Ulf Kristersson und Außenminister Tobias Billström am 11. Juli in Vilnius als Vollmitglieder mit am Tisch sitzen können. Beobachtern zufolge könnte Erdoğan mit seiner Blockadepolitik auch andere Ziele verfolgen, etwa die Lieferung von Kampfjets des Typs F-16.

US-Präsident Joe Biden hat mehrmals angedeutet, dass die USA bereit seien, diesem Wunsch nachzukommen, wenn Schweden der Nato beitreten darf. Biden wiederholte dieses Angebot, als er Erdoğan nach dessen Wahlsieg anrief, um ihm zu gratulieren.

Allerdings, und das weiß Erdoğan sehr genau, entscheidet über diesen Deal am Ende der US-Kongress. Und dort gibt es weiterhin Widerstand dagegen, die Türkei mit amerikanischen F-16 auszurüsten. Die Verhandlungen am Mittwoch zwischen der türkischen und der schwedischen Delegation endeten jedenfalls ergebnislos: Schwedens Nato-Unterhändler Oscar Stenström sagte, das Treffen habe "den Prozess vorangebracht. Aber wir sind noch immer weit vom Ziel entfernt."

Auch in Bezug auf die zweite Blockade durch Ungarn wird es knapp: Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sagte im Mai, das Verhältnis zu Schweden sei "furchtbar schlecht" und sein Land wolle den Konflikt nicht in das Verteidigungsbündnis importieren. Schweden hatte die ungarische Regierung immer wieder scharf wegen deren Rechtsverstößen kritisiert. Am Mittwoch kündigte nun James E. Risch, der Chef-Republikaner im Senats-Ausschuss zur amerikanischen Außenpolitik, an, die USA würden einen 735 Millionen Dollar schweren Waffendeal so lange einfrieren, bis Orbán den schwedischen Antrag unterschreibe. Ungarn wünscht sich von den USA 24 Himars-Raketenwerfer, mehr als 100 Raketen und weiteres Zubehör. Andere Nato-Mitgliedsländer an der Ostflanke des Verteidigungsbündnisses haben bereits Himars-Systeme von den USA geliefert oder feste Zusagen über deren baldige Zustellung bekommen.

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