Bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei liegt Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan mehreren Medienberichten zufolge in Führung vor seinem Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu, dem Vorsitzenden der republikanischen Volkspartei CHP.
Die Zahlen, die von den türkischen Nachrichtenagenturen und TV-Sendern gemeldet werden, waren am Abend zunächst sehr unterschiedlich - je nachdem, ob das jeweilige Medien eher der Regierung oder eher der Opposition zugeneigt ist.
Nachdem die oppositionsnahen Medien zunächst ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit leichten Vorteilen für Kılıçdaroğlu prognostiziert hatten, zeichnet sich am Abend - quer über alle Medien - recht schnell ein Vorsprung für Erdoğan ab. In zwei Fernsehsendern, dem eher oppositionellen Halk TV und dem regierungsnahen NTV, steht es jeweils 52 zu 48 Prozent für Erdoğan.
Das liegt sehr nahe an die Zahlen, die die oberste Wahlbehörde um 21.40 Uhr deutscher Zeit als vorläufiges amtliches Endergebnis bekanntgibt: 52,1 gegen 47,9 Prozent.
Die Opposition beklagt Unregelmäßigkeiten
Der Oppositionsführer gesteht seine Niederlage am Abend indirekt ein. Er bedauere "die weit größeren Probleme", die das Land nun erwarteten, werde aber weiter für Demokratie kämpfen. "Bei dieser Wahl ist der Wille des Volkes für den Wechsel einer autoritären Regierung trotz aller Repressionen deutlich zum Ausdruck gekommen", sagte Kılıçdaroğlu. Man habe "den unfairsten Wahlkampf der letzten Jahre erlebt".
Der Wahlkampf galt als unfair, weil dem Amtsinhaber in den größtenteils staatlich kontrollierten Medien viel mehr Platz eingeräumt wurde, um seine Botschaften ans Volk zu bringen. Außerdem beklagte die Opposition Unregelmäßigkeiten, so seien an mehreren Orten Wahlhelfer und Wahlbeobachter der Opposition angegriffen und an ihrer Arbeit gehindert worden.
In Ankara füllen am frühen Abend Autokorsos mit wehenden Fahnen die Straßen. Auch in Istanbul sind Hupkonzerte zu hören. Vor seinem Haus in Istanbul spricht Erdoğan gegen 19.30 Uhr deutscher Zeit zu seinen Anhängern und erklärt sich zum Sieger der Wahl. Er danke allen, die es ihm ermöglicht hätten, die kommenden fünf Jahre zu regieren, sagt der Präsident. Bemerkenswert ist die Liste derjenigen Regierungen, die Erdoğan bereits früh gratulieren: Der Emir von Katar, Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán und die Taliban-Regierung in Afghanistan.
Erdoğan hatte im ersten Wahlgang vor zwei Wochen die absolute Mehrheit nur knapp verpasst. Kılıçdaroğlu ist für ein Bündnis aus sechs Parteien angetreten, im Wahlkampf-Endspurt hatte er sich zuletzt auffallend populistisch geäußert, vermutlich, um Wähler am rechten Rand einzufangen, die im ersten Wahlgang für den Nationalisten Sinan Oğan gestimmt hatten.
Erdoğan bestimmt seit 20 Jahren die türkische Politik. Seitdem er im Jahr 2018 die Einführung eines Präsidialsystems durchdrückte, hat er so viel Macht wie nie zuvor. Kritiker befürchten, dass das Land nach einem erneuten Sieg Erdoğans vollends in die Autokratie abgleiten könnte.