Süddeutsche Zeitung

Erdoğan-Besuch in Berlin:Sächsische Polizisten wählen "Uwe Böhnhardt" als Decknamen

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Den Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Berlin an diesem Freitag sichert ein Großaufgebot der Polizei. Mit dabei sind auch Beamte aus Sachsen. Zwei Angehörige des sächsischen Spezialeinsatzkommandos (SEK) haben nun das ohnehin in der Kritik stehende Landeskriminalamt (LKA) - an dieses ist das SEK angegliedert - weiter in Misskredit gebracht.

Die Beamten hatten sich für den Großeinsatz selbst den Decknamen "Uwe Böhnhardt" gegeben. Zunächst hatte Focus Online darüber berichtet. Die Polizisten trugen sich mit dem Namen des NSU-Terroristen in eine Liste ein, auf deren Grundlage ein Zutritts- und Berechtigungsdokument für den Staatsbesuch ausgestellt werden sollte. Dies sei durch die einsatzführende Dienststelle unterbunden, ausgewertet und gemeldet worden, teilte das LKA mit.

Böhnhardt war Neonazi und Mitglied der rechten Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), die zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin ermordete und erst 2011 aufflog.

"Vollständig inakzeptables, moralisch und ethisch vorwerfbares Handeln"

"Da fehlen mir die Worte. So ein Verhalten ist verantwortungslos und nicht hinnehmbar", zitiert der Focus Sachsen LKA-Präsident Petric Kleine. Beide Beamte sind demnach von dem Großeinsatz in Berlin suspendiert. Gegen sie wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, mit dem Ziel, sie aus dem Dienst zu entfernen, teilte das LKA mit. In einer Stellungnahme heißt es, dass "das vollständig inakzeptable, moralisch und ethisch vorwerfbare Handeln der Beamten geeignet ist, das Ansehen unserer Behörde und der gesamten sächsischen Polizei nachhaltig zu schädigen".

Im August war das sächsische LKA bereits negativ in die Schlagzeilen geraten. Ein Mitarbeiter der Behörde, der als "Hutbürger" bekannt wurde, hatte auf einer Demonstration der rechten Pegida-Organisation in Dresden lautstark gegen die Videoaufnahmen eines ZDF-Teams protestiert und den Journalisten vorgeworfen, durch das Filmen seiner Person eine Straftat zu begehen. Er rief schließlich Polizisten herbei, die das Fernsehteam ausgiebig kontrollierten und vorübergehend an der Arbeit hinderten.

Der als Eingriff in die Pressefreiheit gewertete Vorfall löste bundesweit Kritik aus. Dresdens Polizeipräsident bedauerte im Nachhinein Art und Weise des Einsatzes und entschuldigte sich in einem klärenden Gespräch mit den Journalisten. Mit dem Pegida-Anhänger wurde vereinbart, dass er künftig außerhalb der Polizei Sachsens beschäftigt wird.

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SZ.de/mane/AFP/dpa
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