Grünen-Chefin Annalena Baerbock spricht sich dafür aus, zunächst keine Betriebsgenehmigung für die Ostsee-Erdgaspipeline Nord Stream 2 zu erteilen. Nach europäischem Energierecht müsse der Betreiber der Pipeline "ein anderer sein als derjenige, der das Gas durchleitet", sagte sie der Funke-Mediengruppe. "Solange das ein und derselbe Konzern ist, darf die Betriebserlaubnis nicht erteilt werden."
Baerbock sagte: "Wir dürfen uns nicht erpressen lassen." Russland habe offenbar bewusst die Situation herbeigeführt, dass die Gasspeicher relativ leer seien, "um so die schnelle Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu erzwingen". Das sei "eine strategische Entscheidung" des Gaskonzerns Gazprom gegen die Europäer.
Zuvor hatte Russland nach Medienberichten von Deutschland eine Zertifizierung der Pipeline noch vor dem 8. Januar verlangt. Die etwa 1200 Kilometer lange Leitung soll Gas von Russland nach Deutschland transportieren. Die Bundesnetzagentur prüft derzeit den Antrag auf eine Zertifizierung. Dabei geht es besonders darum, ob die Betreiber die EU-Regeln zur Entflechtung einhalten, wonach die Gasproduktion und der Gastransport getrennt sein müssen.
Aus Russland kamen am Montag Signale, dass man den europäischen Verbrauchern nur dann zusätzliches Gas liefern werde, um die derzeitige Energieknappheit zu lindern, wenn die EU im Gegenzug die Pipeline genehmige. Das sagten Personen, die dem staatlichen Gasriesen Gazprom und dem Kreml nahestehen. "Wir können nicht zur Hilfe eilen, nur um Fehler zu kompensieren, die wir nicht begangen haben", sagte Konstantin Kossatschow, ein führender kremlnaher Abgeordneter im Föderationsrat, dem Oberhaus des Parlaments, in einem Interview, ohne näher zu erläutern, worum es Russland geht. "Wir erfüllen alle unsere Verträge, alle unsere Verpflichtungen. Alles, was darüber hinausgeht, sollte Gegenstand zusätzlicher freiwilliger und für beide Seiten vorteilhafter Vereinbarungen sein."
Die Gaspreise steigen, der Druck auf Russland wächst
Wie um diesen Punkt zu unterstreichen, erklärte der Betreiber der Pipeline am Montag, dass der erste Strang mit sogenanntem technischem Gas gefüllt und betriebsbereit sei, es jedoch erst nach Erteilung der behördlichen Genehmigung befördert werden könne. Diese Ankündigung erfolgte nur wenige Stunden nachdem die europäischen Gaspreise in die Höhe geschnellt waren. Zuvor hatte es geheißen, dass Gazprom erneut nur eine geringe Kapazität für den Transport des Brennstoffs nach Europa über andere Routen geboten habe.
Da die steigenden Brennstoffkosten die Wirtschaft zunehmend in Mitleidenschaft ziehen, wächst der Druck auf Russland, mehr Gas zu fördern, um eine größere Versorgungskrise mitten im Winter zu vermeiden. Doch da die Beziehungen zur EU nach Jahren der Sanktionen und anderer Spannungen belastet sind, ist der Kreml nicht bereit, den Europäern einen Gefallen zu tun. Obwohl die Exporte nach Europa in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind, liegen sie nach Angaben des Oxford Institute for Energy Studies unter den Werten für 2019.
Vergangene Woche deutete Präsident Wladimir Putin auf einer Energiekonferenz in Moskau an, dass Russland mehr Gas anbieten könnte. Er beklagte aber auch die langsamen Fortschritte bei der Genehmigung von Nord Stream 2, die sich bis weit ins kommende Jahr hinziehen könnte.