Erderwärmung:Meeresspiegel steigen noch schneller an

Der Weltklimarat warnt: Sturmfluten, Starkwinde und kräftige Regenfälle dürften zunehmen.

Von Michael Bauchmüller und Marlene Weiß, Berlin/München

Der Meeresspiegel könnte noch schneller steigen als bislang erwartet. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts könne er um bis 110 Zentimeter ansteigen, heißt es einem Sonderbericht zu Ozeanen und Eisschilden, den der Weltklimarat IPCC am Mittwoch in Monaco vorgelegt hat. Bisher waren die Wissenschaftler für dieses Jahrhundert von einem Anstieg um maximal 82 Zentimer ausgegangen. "In den letzten Dekaden hat sich der Anstieg beschleunigt", sagte Valérie Masson-Delmotte, Co-Vorsitzende der zuständigen Arbeitsgruppe beim IPCC. Grund sei die Erderwärmung: Sie lässt die Eismassen Grönlands und - verstärkt - der Antarktis schmelzen, ebenso jene der Gletscher. Hinzu kommt, dass sich das Wasser in den Ozeanen durch die Erwärmung ausdehnt.

Der höhere Meeresspiegel wirkt sich zusammen mit anderen Klimaeffekten auch auf Sturmfluten aus. So dürften laut dem Bericht vielerorts schon um das Jahr 2050 Flutereignisse alljährlich auftreten, die früher nur einmal im Jahrhundert zu erwarten waren. Höhere Windstärken und größere Regenmengen etwa bei Tropenzyklonen dürften das Problem noch verschärfen.

In tief liegenden Küstenregionen, die vom Meeresspiegelanstieg besonders betroffen sind, leben heute 680 Millionen Menschen, bis Mitte des Jahrhunderts sollen es rund eine Milliarde sein. Hinzu kommen 65 Millionen Menschen in kleinen, ärmeren Inselstaaten, die bei einem extremen Meeresspiegelanstieg teils dauerhaft überflutet werden könnten. "Die Schwächsten erreichen das Limit zuerst", sagte der Münchner Klimaforscher Matthias Garschagen, einer der Leitautoren des Berichts. Zudem gebe es alarmierende "Beschleunigungsprozesse". Einer davon ist das Schmelzen von Permafrostböden in der Arktis. Je nach Szenario könnten sie bis 2100 um 24 bis 69 Prozent zurückgehen. Dadurch dürften große Mengen Kohlendioxid und Methan zusätzlich in die Atmosphäre gelangen.

Die Effekte ließen sich noch halbwegs beherrschen, wenn die Treibhausgasemissionen "scharf" reduziert würden, mahnt der Weltklimarat - eine Empfehlung, der sich Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) anschließt. "Wir brauchen konsequenten Klimaschutz", sagte sie in Berlin. Auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) verlangte eine Umkehr: "Es geht nicht um Eismassen, es geht um Lebensgrundlagen." Die Bundesregierung gehe aber nun von der "Phase 'Wir müssen' in die Phase 'Wir werden'" über, sagte Schulze - in Anspielung auf das Klimapaket vom vergangenen Freitag. Es war am Mittwoch auch formal vom Bundeskabinett angenommen worden.

Umweltschützer erneuerten dagegen ihre Kritik an dem Paket. "Deutschland wird mit seinem Klimapäckchen keinen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz und damit zum Schutz unserer Meere und Gletscher leisten können", sagte Heike Vesper, die sich bei der Umweltstiftung WWF mit dem Meeresschutz befasst. "Die Bundesregierung hat hier versagt."

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