Erderwärmung:Eine Welt, ein Klima

Die Bilder von den Naturkatastrophen in Indonesien und Australien machen deutlich: Die Politik muss global handeln, und zwar schnell, um das Schlimmste noch zu verhindern.

Von Arne Perras

Jahrtausende lang lebten Menschen mit der unumstößlichen Vorstellung, dass die Kräfte der Natur überirdische Lenker besitzen mussten. Sie hießen Thor oder Tlaloc, Raijin oder Namarrgon. Wann immer es donnerte und grollte, wann immer Stürme tobten und Blitze auf die Erde schossen: Es mussten Götter am Werk sein. Unsere frühen Gesellschaften, die Smartphone und Wetter-App noch nicht vermissten, boten Sonnenanbeter und Regentänzer auf. Sie buhlten um die Gunst der Götter. Das Wetter konnte Leben spenden oder Tod bringen. Man sah Naturgewalten als Ausdruck himmlischer Macht: Götter belohnten und bestraften.

Inzwischen hat sich der Blick aufs Wetter geändert. Wissenschaftler erforschen, wie Menschen ihre Umwelt beeinflussen. Und eine der wichtigsten Erkenntnisse all dieser Anstrengungen lautet: Der durch Treibhausgase verursachte Klimawandel erhöht das Risiko extremer Wetterlagen. In anderen Worten: Die industrialisierten Gesellschaften der Neuzeit sind für die unbeherrschbaren Naturgewalten, die nun wüten, mitverantwortlich.

Was sie anrichten, zeigt sich gerade auf der anderen Seite der Welt: Feuerwehrleute kämpfen im australischen Busch bis zur Erschöpfung. In Indonesien ist rund um Jakarta das Hochwasser gerade erst abgeebbt, schon gibt es Angst vor neuen Fluten. Als wäre all das nicht genug, ist nun auch noch der Vulkan Taal nahe Manila erwacht. Der Ausbruch hat mit Treibhausgasen zunächst nichts zu tun, doch Forscher werden auch bald dieses Gebiet besser erkunden: Sie wissen zwar, dass Vulkane durch die riesigen Mengen ausgestoßener Asche das Klima beeinflussen; umgekehrt aber haben sie bislang kaum Erkenntnisse darüber, wie der Klimawandel die Aktivität von Vulkanen oder auch das Auftreten von Erdbeben beeinflusst.

In großen Teilen Asiens sind die Bewohner weit mehr als anderswo mit den Urgewalten der Natur vertraut, sie treffen die Menschen dort häufiger und härter als die Gesellschaften Europas. Doch in ihren extremen Ausprägungen, wie sie nun über Indonesien und auch noch weiter südlich über Australien hereinbrechen, sind sie weit mehr als altbekannte Katastrophen. Sie sind Symptome des Klimawandels.

Dank moderner Kommunikation können das nun auch jene in vielen Einzelheiten mitverfolgen, die sehr weit weg leben. Die Bilderflut vom anderen Ende der Welt macht das Elend auf schreckliche Weise anschaulich. Feuersbrünste und verdurstende Koalas, Fluten und flehende Mütter, die nach ihren Kindern suchen. Wer ist der nächste?

Nur globale Klimapolitik kann das Schlimmste abwenden. Zugleich müssen die Staaten, gerade in Asien, stärker für ihre Menschen vorsorgen. In Indonesien heißt das: Wälder schützen, die Wasser halten; Bäume pflanzen, wo sie abgeholzt wurden; Kanäle vom Müll freihalten, damit sich Fluten nicht aufstauen. Australien kann sich auf altbewährte Techniken besinnen. Kontrolliertes Feuer legen, um das Risiko von Großbränden zu mindern. Feuersicher bauen. Es gibt tausend kleine Schritte. Es gilt sich zu wappnen.

Den grundlegenden Widerspruch, in dem sich alle Länder verfangen haben, löst solcher Pragmatismus aber nicht auf. Die konsumorientierte Wirtschaft ruht noch immer auf der fahrlässigen Annahme, dass alles irgendwie weiterwachsen könne, obwohl die Menschheit auf die endlichen Ressourcen der Erde zurückgeworfen ist. Das gilt auch für die Länder, die bereits massiv vom Klimawandel heimgesucht werden. Die Beharrungskräfte sind enorm, weil Klimaschutz Pfründe bedroht. Australien und Indonesien gehören zu den führenden Exporteuren von Kohle. Die Notwendigkeit, die Erderwärmung zu minimieren, kollidiert mit Interessen etablierter Industrien. In Jakarta sind das auch Palmölriesen. Wald muss für Plantagen weichen. Dass der Widerstand dagegen gering ist, liegt teils an mangelnder Aufklärung. Jeder fünfte Indonesier glaubt, Menschen hätten mit dem Klimawandel nichts zu tun, das sind so viele wie in keinem anderen Land der Welt.

Hinzu kommt, dass Indonesien, wie die meisten anderen Staaten Südostasiens, die Politik vor allem daran ausrichtet, wirtschaftlich zu den allerreichsten Industrienationen aufzuschließen oder sie gar zu überholen. Die Rezepte dafür sind nicht anders als im Westen: Wachstum, Wachstum, Wachstum. Sie bekämpfen damit durchaus die Armut. Aber mutmaßlich nur für kurze Zeit. Denn der steigende Wohlstand nährt auch den Hang zur Verschwendung. Der Preis für diesen Aufstieg ist hoch - zu hoch, um besseren Klimaschutz möglich zu machen. Ressourcen werden verschleudert und das zerstört in rapidem Tempo Asiens Umwelt. Und das wird sehr wahrscheinlich das Katastrophenrisiko weiter steigern.

Moralisch hat der Westen aber kaum das Recht, den Zeigefinger zu heben. Denn die Art, Wirtschaft zu betreiben, entspricht weitgehend jenen Gewohnheiten, welche die alten Industrieländer in alle Welt exportiert haben.

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