Früherdbeeren aus Spanien:Wo jede fünfte Erdbeere illegal wächst

Lesezeit: 3 Min.

Bis zu drei Milliarden Euro jährlich fließen durch die Erdbeerplantagen in die andalusische Provinz Huelva. Der Anbau erfolgt auch mit verbotener Bewässerung. (Foto: CRISTINA QUICLER/AFP)

Spanien streitet über die Rettung des Nationalparks Doñana. Der Beerenanbau droht das Feuchtgebiet endgültig zu zerstören. Doch den Parteien geht es eher um die bevorstehenden Wahlen.

Von Karin Janker, Madrid

Sie schmecken nach Sonne und duften nach Sommer. Und etwa jede Fünfte von ihnen ist illegal angebaut. Viele der spanischen Erdbeeren, die derzeit in deutschen Supermärkten liegen, stammen aus Anbaugebieten, die an den Nationalpark Doñana grenzen. Die Doñana liegt in Huelva, einer Region ganz im Südwesten Spaniens, nahe der portugiesischen Grenze. Huelva hat sich seit den 1990er-Jahren als Beerenanbaugebiet etabliert. Je nach Jahresertrag bringt der Erdbeeranbau zwischen ein und drei Milliarden Euro in die Region. Huelva ist Europas Beerengarten.

Doch die Erdbeere ist eine durstige Pflanze: 300 Liter Wasser sind für ein Kilo der Früchte nötig. Wasser, das nun dort fehlt, wo es in diesen Monaten anhaltender Dürre besonders gebraucht würde: im Feuchtgebiet des Doñana-Nationalparks, den die Unesco 1994 zum Weltnaturerbe erklärt hat.

Der Nationalpark trocknet aus, womöglich für immer. Tierarten sterben, die Flora verändert sich. An ein Feuchtgebiet erinnert hier nichts mehr, weite Strecken haben sich bereits in trockenes Buschland verwandelt. Seit mehr als zehn Jahren mahnen Umweltschützer, dass die Erdbeerzüchter dem Feuchtgebiet das Wasser abgraben. Im vergangenen September ist auch die letzte der Lagunen vertrocknet. "Die Population von Wasservögeln ging von 470 000 auf 80 000 Exemplare zurück", sagt Teresa Gil, Wasserexpertin beim WWF Spanien. Der Schaden sei unvorstellbar - und kaum wiedergutzumachen, so die Biologin.

Die Regierung in Sevilla könnte handeln - doch sie hat andere Pläne

Handeln könnte und müsste zuvorderst Andalusiens Regionalregierung. Es ist lange bekannt, dass rund 1900 der 9000 Hektar Anbaufläche illegal bewässert werden. Dort dürfte eigentlich nur Trockenlandbau betrieben werden, doch die Bauern haben Brunnen gegraben und zapfen das Grundwasser an, das den Nationalpark und seine Lagunen speist. Die illegalen Brunnen gehörten verschlossen, die Entnahmemenge der legalen Brunnen reduziert, ebenso die Anbaufläche insgesamt. So empfiehlt es der WWF.

Die Regierung in Sevilla indes hat andere Pläne. Der regierende konservative Partido Popular will seinen Wählern vor den Kommunalwahlen Ende Mai ein Geschenk machen, das aus Sicht der Umweltschützer das endgültige Todesurteil für die Lagune sein könnte: Die 1900 Hektar illegal bewässerte Anbaufläche sollen legalisiert werden. Juan Manuel Moreno, Andalusiens Regionalpräsident, sieht die Erdbeerbauern als entscheidenden Wirtschaftsfaktor der Region - und nicht zuletzt als wichtige Wählergruppe.

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Doch in Spanien finden nicht nur bald Kommunalwahlen statt, sondern Ende des Jahres auch die Wahl der Regierung in Madrid. Und so ist der Doñana-Nationalpark ein Streitthema ersten Ranges geworden: Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez hat am Donnerstag den Nationalpark erneut besucht. Er will das neue Gesetz, sobald es in Andalusien verabschiedet ist, vor das Verfassungsgericht bringen und sagt das nun möglichst oft und möglichst laut. Denn natürlich will auch er politisch Kapital aus dem Thema schlagen.

Der EuGH befand: Spanien tut zu wenig, um die Doñana zu schützen

"Doñana ist für die Biodiversität, was der Prado für die Malerei ist", sagte jüngst Spaniens Landwirtschaftsminister Luis Planas ein wenig poetisch. Regierungschef Sánchez dagegen bläst zum Frontalangriff: Es könne nicht sein, dass eine Regierung, die für gerade mal vier Jahre gewählt wurde, handstreichartig ein jahrhundertealtes Naturdenkmal zerstöre, sagte Sánchez beim Besuch in Huelva. Die Regionalregierung müsse zu europäischem Recht zurückkehren - eine Anspielung auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vor zwei Jahren, der von "übermäßiger Grundwasserentnahme" sprach und davon, dass Spanien zu wenig tue, um die Doñana zu schützen. Geklagt hatte damals die EU-Kommission.

Er will gegen die andalusische Regionalregierung vorgehen, wenn sie noch mehr Anbaufläche legalisieren sollte: Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez beim Besuch des Unesco-Weltnaturerbes Doñana. (Foto: Francisco J. Olmo/dpa)

Sánchez warnt, dass Spanien Strafe zahlen müsse, wenn Andalusien den Plan zur Legalisierung der Anbauflächen umsetze. Regionalpräsident Moreno dagegen spricht davon, dass diese Flächen nicht mit Grund-, sondern mit Oberflächenwasser gegossen würden. Dafür solle ein neuer Stausee entstehen.

Augenwischerei, sagt Wasserexpertin Teresa Gil. Moreno verspreche Wasser, das es nicht gebe und das am Ende wieder der Lagune fehle. Für den Nationalpark selbst sei der politische Streit jedenfalls "absolut kontraproduktiv". Das Problem könne nur gelöst werden, wenn Regional- und Zentralregierung zusammenarbeiten. Danach sieht es in Zeiten des Wahlkampfs allerdings nicht aus.

Den Menschen in Deutschland, die in diesen Wochen zwar Lust auf Erdbeeren haben, aber kein Interesse daran, indirekt an der Zerstörung der Doñana mitzuwirken, rät sie, "weniger Erdbeeren" zu kaufen und auf die Qualität zu achten. Wobei das Bio-Label falsche Sicherheit verspreche: Es gebe Fälle, wo auch das Wasser für Bio-Erdbeeren aus illegalen Brunnen stammte.

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