Mehr als 11 000 Tote:Erdoğan räumt Probleme bei Krisenmanagement ein

Mehr als 11 000 Tote: Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei.

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei.

(Foto: Turkish Presidency/dpa)

Zwei Tage nach dem Erdbeben macht sich der türkische Präsident ein Bild von der Lage vor Ort.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat zwei Tage nach den schweren Erdbeben Probleme bei den Hilfsmaßnahmen eingeräumt. Es habe einige Schwierigkeiten bei der ersten Krisenreaktion gegeben, sagte Erdoğan bei einem Besuch im Katastrophengebiet in der Provinz Kahramanmaraş im Süden des Landes. Es habe Probleme mit den Straßen und Flughäfen gegeben, dies alles werde aber von Tag zu Tag besser. Nun seien die Abläufe wieder normal, sagte er angesichts von Klagen aus der Bevölkerung über mangelnde Hilfsressourcen und eine zu langsame Reaktion der Behörden. Den Opfern des Erdbebens sagte der Präsident finanzielle Hilfe zu. Betroffene Familien erhielten jeweils 10 000 Türkische Lira (etwa 500 Euro) Soforthilfe, versprach er.

Der türkische Oppositionsführer wirft Erdoğan Versagen beim Krisenmanagement vor. Der Präsident habe es versäumt, das Land in seiner 20-jährigen Regierungszeit auf solch ein Beben vorzubereiten, sagte Kemal Kılıçdaroğlu, Chef der größten Oppositionspartei CHP. Die Türkei ist wegen ihrer geografischen Lage besonders erdbebengefährdet. Vielerorts wird jedoch auch die dürftige Bausubstanz als ein Grund für die vielen eingestürzten Häuser diskutiert.

Die Zahl der Toten ist inzwischen auf mehr als 11 000 gestiegen. Mehr als 45 000 Menschen wurden verletzt. Die Helfer suchen weiter nach Überlebenden, doch aufgrund der fortschreitenden Dauer und der frostigen Temperaturen schwinden die Hoffnungen, noch Überlebende zu finden.

Betroffene klagen auch über fehlende oder nur schleppende Hilfe bei der Bergung Verschütteter. Nach Angaben von Vizepräsident Fuat Oktay sind etwa 16 150 Rettungs- und Suchteams im Einsatz - sie seien in alle betroffenen Provinzen und Bezirke entsandt worden. Insgesamt seien rund 60 000 Helfer vor Ort. Der Regierungspolitiker sagte, dass in der Nacht zu Mittwoch internationale und lokale Teams vor allem in die Provinzen Adıyaman, Hatay und Kahramanmaraş gebracht würden. Auch aus Deutschland machen sich Hilfstrupps auf den Weg. So brach etwa am Flughafen Köln/Bonn am frühen Mittwochmorgen ein 50-köpfiges Team des Technischen Hilfswerks (THW) ins Katastrophengebiet auf.

Mehr als 11 000 Tote: Ein Retter sucht in der Region Kahramanmaraş nach dem Erdbeben in den Trümmern eines Gebäudes nach Überlebenden.

Ein Retter sucht in der Region Kahramanmaraş nach dem Erdbeben in den Trümmern eines Gebäudes nach Überlebenden.

(Foto: Mustafa Kaya/dpa)

Auch Syrien erhält internationale Hilfe

Trotz der weitreichenden politischen Isolation der syrischen Regierung erhält auch das Bürgerkriegsland Syrien Erdbebenhilfe aus dem Ausland. Der Oman eröffnete eine Luftbrücke, um Hilfsgüter zu schicken, wie die staatliche Nachrichtenagentur ONA meldete. Anders als in die Türkei will der Golfstaat aber keine Rettungsteams ins Land schicken. Der Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Mohammed bin Sajid Al Nahjan, hat Syrien zuvor schon Hilfe in Höhe von 50 Millionen US-Dollar (46,5 Millionen Euro) zugesagt. Die Türkei soll denselben Betrag erhalten. Die VAE wollen in Syrien zudem ein Feldlazarett einrichten und ein Rettungsteam entsenden, wie das syrische Außenministerium berichtete.

Neben mehreren arabischen Ländern sicherten auch der Iran, Russland und China der syrischen Führung Unterstützung zu. Auch aus Indien kam bereits ein Flugzeug mit Hilfsgütern an. Zudem stellte die syrische Regierung einen Antrag auf Katastrophenhilfe an die EU. Das Hilfsersuchen umfasse eine lange Liste an gängigen Katastrophenschutzgütern, sagte der für das EU-Krisenmanagement zuständige Kommissar Janez Lenarcic in Brüssel. Demnach fragte Syrien etwa nach Medikamenten, Lebensmitteln und nach medizinischen Geräten. "Ich ermutige die EU-Staaten, auf die Anfrage zu reagieren", sagte Lenarcic.

Straßen an humanitärem Grenzübergang beschädigt

Die politische Lage erschwert jedoch die Hilfs- und Rettungsmaßnahmen in Syrien. Durch das Erdbeben wurde die Straße zu dem einzigen Grenzübergang für humanitäre Hilfe zwischen der Türkei und Syrien beschädigt, wie ein UN-Sprecher mitteilte. Hilfslieferungen für die Menschen im Nordwesten Syriens seien nur eingeschränkt möglich. Die Menschen in den nicht vom syrischen Regime kontrollierten Gebieten im Nordwesten des Landes werden von den UN und internationalen Hilfsorganisationen über den an der Grenze zur Türkei gelegenen Übergang Bab al-Hawa versorgt.

In Syrien ist eines der am schwersten betroffenen Gebiete die von Rebellen kontrollierte Region Idlib. In dem Land war nach Protesten gegen die Regierung 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen, in dem viele ausländische Staaten eingriffen und in dem über ein Jahrzehnt mehr als 350 000 Menschen getötet wurden. Die Assad-Regierung beherrscht inzwischen wieder rund zwei Drittel des zersplitterten Landes. Die Erdbebenkatastrophe traf im Norden Gebiete unter verschiedener Kontrolle, was Helfern die Arbeit zusätzlich erschwert.

Mit einer Stärke von 7,7 bis 7,8 hatte das Beben am frühen Montagmorgen das Gebiet an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien erschüttert. Am Montagmittag folgte dann ein weiteres Beben der Stärke 7,5 in derselben Region. Tausende Gebäude stürzten ein.

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