Erdbeben in Chile:Concepción - eine Stadt wird zerstört

"Es gibt keine Straße ohne Trümmer": Die chilenische Großstadt Concepción ist am stärksten von dem Erdbeben betroffen. Alle wichtigen Gebäude der Millionenstadt seien eingestürzt.

Die chilenische Großstadt Concepción ist von dem verheerenden Erdbeben mit am schlimmsten getroffen worden. Brücken seien eingestürzt, Straßen regelrecht zusammenschoben worden, berichtete der Fernsehsender TVN am Samstag.

Alle wichtigen Gebäude der etwa 500 Kilometer südlich von Santiago de Chile gelegenen Stadt stürzten unter der Wucht des Bebens ein. "Es gibt keine Straße ohne Trümmer. Es ist uns noch nicht gelungen, bis zur Stadtmitte vorzudringen", berichtete ein Reporter.

Öffentliche Gebäude, darunter der Sitz der Regionalregierung, seien ebenso wie erst jüngst fertiggestellte Bauten in sich zusammengefallen. Auf den Straßen der 200.000-Einwohner-Stadt türmten sich Trümmerberge, überall seien Risse im Boden zu sehen.

Noch in der Nacht wurden Hunderte von Patienten aus dem regionalen Krankenhaus geholt. In Decken gehüllte Frauen, schreiende Kinder und Männer mit Taschenlampen, die im Schlaf von dem Unglück überrascht wurden, seien die ersten gewesen, die versucht hätten, sich einen Weg aus den Trümmern zu bahnen.

Innenminister Edmundo Pérez Yoma bestätigte, es gebe gravierende Kommunikationsprobleme mit der Stadt. Präsidentin Michelle Bachelet entsandte Helfer in das Katastrophengebiet und rief ihre Minister zu einem Krisentreffen zusammen.

Kupferbau stark beeinträchtigt

Das schwere Erdbeben hat auch den Bergbau der weltgrößten Kupferproduzenten beeinträchtigt. Der Konzern Anglo American stoppte die Arbeit in seinen Kupferminen Los Bronces und El Soldado. Die Stromversorgung sei zusammengebrochen, teilte ein Sprecher mit. Das dortige Sicherheitspersonal erklärte, die Zugangsstraßen zu den Gruben seien verschüttet. Beim Kupferproduzent Codelco war die Lage zunächst noch unklar. Es habe kein Kontakt zu den Bergwerken El Teniente und Andina hergestellt werden können, sagte ein Sprecher des Staatskonzerns. Chile stellt 34 Prozent der weltweiten Kupferproduktion.

Anglo American produziert in den beiden betroffenen Bergwerken jährlich rund 280.000 Tonnen Kupfer. Aus den Codelco-Gruben werden jedes Jahr zusammen 600.000 Tonnen des Rohstoffs geholt, der vor allem in Elektrogeräten, Autos und Kühlschränken zum Einsatz kommt.

Experten befürchten starke Nachbeben

"Ein Beben der Stärke 8,3 bis 8,8 hat mehr als 100 Mal so viel Kraft wie das Erdbeben von Haiti mit einem Wert von 7,1 Anfang des Jahres", sagte Jochen Zschau vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ. In den kommenden Tagen, Monaten, wenn nicht sogar Jahren müsse mit zum Teil schweren Nachbeben gerechnet werden. "Einige davon könnten noch stärker als das Beben von Haiti sein", sagte er.

An den Rändern der tektonischen Platten hatten sich über einen langen Zeitraum starke Spannungen aufgebaut, die sich nun schlagartig entladen hätten, sagte der Wissenschaftler. Dabei seien enorme Bewegungen in Gang gesetzt worden. Nun müsse genau festgestellt werden, wie die Bewegeungen abliefen und wie sie verursacht wurden.

Die Nasca-Platte - sie ist die Ursache vieler schwerer Erdbeben und Tsunamis in Chile - schiebe sich beispielsweise mit etwa sechs bis sieben Zentimetern im Jahr unter Südamerika. Darüber hinaus rutsche der Kontinent etwa zwei bis drei Zentimeter pro Jahr in Richtung Westen. "Beide Bewegungen kollidieren miteinander und führen so zu großen Spannungen", sagte der Experte.

Beim Haiti-Beben habe es enorme Bewegungen an der Grenze zwischen karibischer und nordamerikanischer Platte gegeben, erinnerte Zschau. Die kleinere karibische rutsche dort rund sieben Millimeter im Jahr Richtung Osten an der nordamerikanischen Platte vorbei. "Innerhalb von 24 Stunden wird sich nun ein Tsunami von der einen Seite des Pazifiks zur anderen bewegen", sagte Zschau.

Mit einer an der chilenischen Küste gemessenen Höhe von anderthalb Metern habe die Wasserwelle aber bei weitem nicht die Macht wie beim Tsunami von Sumatra 2004, als sich eine Wasserwand von teilweise 30 Metern Höhe bildete. "Nach derzeitigem Stand muss diesmal nicht mit einer Katastrophe wie damals gerechnet werden", sagte Zschau.

Weltweit gibt es nur einmal im Jahr ein Erdbeben mit der Magnitude 8 und zehnmal mit der Stärke 7.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: