Erbittertes TV-Duell in Frankreich:Sarkozy provoziert, Hollande schießt zurück

Es könnte der entscheidende Schlagabtausch vor der Wahl am Sonntag gewesen sein: Im TV-Duell gegen seinen sozialistischen Herausforderer setzt Sarkozy auf Attacke, bezichtigt ihn mehrfach der Lüge. Doch der sonst so brave Hollande zeigt sich überraschend souverän und schlagfertig. Sarkozy konnte nicht erreichen, was er sich eigentlich vorgenommen hatte.

Stefan Ulrich, Paris

Vier Tage vor der Stichwahl um die französische Präsidentschaft haben sich die beiden Kandidaten Nicolas Sarkozy und François Hollande einen erbitterten, aber weitgehend fairen Zweikampf geliefert. Der amtierende rechtsliberale Präsident Sarkozy, der in den Umfragen deutlich zurück liegt, hatte gehofft, dass er mit einem K.-o.-Sieg gegen seinen sozialistischen Rivalen Hollande doch noch einen Stimmungumschwung auslösen könnte.

Doch daraus wurde in den zweieinhalb Stunden zur besten Sendezeit nichts. Am Ende erreichte Sarkozy allenfalls ein Patt. Denn Hollande zeigte sich überraschend souverän und schlagfertig. Er hielt Sarkozy immer wieder dessen schlechte wirtschaftliche Bilanz vor und versprach den Franzosen, der Jugend wieder Hoffnung zu geben, eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen und das Land aus der Krise zu führen.

Das einzige Fernseh-Duell während des Wahlkampfes drehte sich vor allem um wirtschaftliche Themen. Der 57-jährige Sarkozy versuchte mit Angriffen auf das Zahlenwerk im Wahlprogramm seines gleichaltrigen Kontrahenten zu punkten, bezichtigte ihn mehrfach der Lüge - bis es dem sonst so brav wirkenden sozialistischen Rivalen reichte: "Sie haben immer das Wort Lüge im Mund - ist das ihr persönliches Problem?", polterte Hollande und ging zum Gegenangriff über. Er konterte mit Hinweisen auf die Regierungsbilanz des Staatschefs - und die hohen Arbeitslosenzahlen. "Sie suchen permanent Sündenböcke, es ist nie Ihre Schuld."

Sarkozy warf Hollande hingegen vor, sich nicht am erfolgreichen Modell Deutschland orientieren zu wollen. "Wettbewerbsfähigkeit ist das Schlüsselwort", sagte Sarkozy. "Glauben Sie wirklich, dass Sie mir alles sagen können?", empörte sich Hollande, als er der Lüge bezichtigt wurde.

Überhaupt, Deutschland: Auffällig häufig bezogen sich beide Kandidaten auf den Nachbarn. Sarkozy verteidigte den starken Anstieg der Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung in Frankreich mit der jahrelangen Finanz- und Wirtschaftskrise sowie dem Hinweis, Staaten wie Griechenland, Spanien, Italien und Großbritannien stünden deutlich schlechter da. Hollande wies demgegenüber auf die Bundesrepublik hin, die erfolgreicher als Frankreich durch die Krise gekommen sei. "Deutschland hat es besser gemacht als wir." Zugleich hob er die starke Rolle der deutschen Gewerkschaften hervor, an denen sich Sarkozy ein Beispiel nehmen solle.

Unentschlossene Wähler

Sarkozy konterte damit, der Sozialist Hollande wolle doch gerade nicht den deutschen Erfolgsrezepten - wie einer Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Entlastung der Lohnnebenkosten - folgen. Er betonte zudem, der frühere sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder "unterstützt meine Kandidatur". Hollande erwiderte, Sarkozy habe als Präsident fünf Jahre gebraucht, um zu erkennen, dass es ein deutsches Modell gebe.

Debate for the 2012 French presidential election campaign

Erbitterter Schlagabtausch vor der Stichwahl am Sonntag: Sarkozy (re.) und Hollande (li.) beim TV-Duell.

(Foto: dpa)

Beide Kontrahenten bekannten sich dazu, die Neuverschuldung in der kommenden fünfjährigen Amtszeit auf Null zu senken. Wesentlich Streitpunkte in der Debatte waren das Kernkraftwerk Fessenheim, das Sarkozy weiterlaufen, Hollande aber stilllegen will, sowie die Einwanderungspolitik. Sarkozy möchte die Immigration nach Frankreich künftig halbieren. Hollande rechnete vor, unter Sarkozys Verantwortung seien jährlich 200.000 Menschen nach Frankreich eingewandert.

Frankreichs Medien sehen in ersten Bilanzen mehrheitlich keinen klaren Sieger. "Es war eine sehr angespannte und sehr technische Debatte", berichtete etwa Le Parisien. Mit Blick auf die Schärfe des Tons der beiden Kandidaten war von einem "gnadenlosen Duell" die Rede.

Die Franzosen werden am Sonntag in einer Stichwahl darüber entscheiden, wer ihr künftiger Präsident wird. Meinungsforscher hatten Hollande am Mittwoch bei 53,5 bis 54 Prozent gesehen, Sarkozy bei nur 46 bis 46,5 Prozent. Etliche Wähler sind noch unentschlossen. Die Meinungsforscher schließen deshalb nicht aus, dass der amtierende Präsident diesen Rückstand noch aufholen kann. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich im Wahlkampf klar hinter Sarkozy gestellt. Die SPD hofft dagegen, ein Sieg des Sozialisten Hollande werde einen Linksruck in Europa einleiten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: