Enzyklika von Benedikt:Der Papst, die Finanzmakler und die Gier

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Appell vor dem G-8-Gipfel: Papst Benedikt fordert in seiner Enzyklika eine neue, von Ethik und Moral geleitete Weltordnung - und prangert das Profitstreben um jeden Preis an.

Papst Benedikt XVI. fordert die Staaten in seiner an diesem Dienstag veröffentlichten Sozialenzyklika "Caritas in Veritate" (Liebe in Wahrheit) auf, sich für eine neue, von Ethik und Moral geleitete Weltordnung einzusetzen. Um die Wirtschafts- und Finanzkrise zu überwinden, müsse eine "echte politische Weltautorität" gebildet werden.

Papst Benedikt bei einer Audienz im Juni (Foto: Archiv-Foto: dpa)

Außerdem prangert Benedikt die Mentalität des Gewinnstrebens um jeden Preis an. Diese Gier habe den schwersten Niedergang der Weltwirtschaft seit der Großen Depression herbeigeführt.

Das Oberhaupt der Katholiken plädierte für eine "ganzheitliche Entwicklung aller Völker". Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise wie auch die Globalisierung sollten als Chance genutzt werden, eine Welt in Gerechtigkeit und Solidarität zu bauen.

"Abrüstung verwirklichen"

Die Enzyklika kam einen Tag vor dem Beginn des G-8-Gipfels der sieben führenden Industriestaaten und Russlands heraus, der sich mit der Wirtschaftskrise, mit dem verschärften Hunger in der Welt und den Klimazielen im Kampf gegen die Erderwärmung befasst.

Benedikt hatte seine insgesamt dritte Enzyklika mehrfach verschoben, um sie, beraten von Wirtschaftsexperten, in der Weltwirtschaftskrise zu aktualisieren und dann mit führenden Staatenlenkern diskutieren zu können.

Die bereits von seinem Vorgänger Johannes Paul II. angeregte, über die UN hinausgehende "Weltautorität" ist nach Benedikts Worten nötig, "um die Weltwirtschaft zu steuern, die von der Krise betroffenen Wirtschaften zu sanieren, eine Verschlimmerung der Krisen und sich daraus ergebenden Ungleichgewichten vorzubeugen".

Außerdem gehe es darum, "eine geeignete vollständige Abrüstung zu verwirklichen, die Sicherheit und den Frieden zu nähren, den Umweltschutz zu gewährleisten und die Migrationsströme zu regulieren".

Kritik an Managern

Für die Finanzmärkte ruft Benedikt nach einer neuen Ethik: "Die ganze Wirtschaft und das ganze Finanzwesen - nicht nur einige ihrer Bereiche - müssen nach ethischen Maßstäben als Werkzeuge gebraucht werden, so dass sie angemessene Bedingungen für die Fortentwicklung des Menschen und der Völker schaffen."

Finanzmakler sollten die eigentlich ethische Grundlage ihrer Tätigkeit wiederentdecken, "um nicht jene hochentwickelten Instrumente zu missbrauchen, die dazu dienen können, die Sparer zu betrügen". Auch habe sich in den vergangenen Jahren eine kosmopolitische Klasse von Managern gezeigt, "die sich oft nur nach den Anweisungen der Hauptaktionäre richten".

"Caritas in Veritate" versteht sich als Fortschreibung der von Benedikt eingehend gewürdigten Sozialenzyklika "Populorum progressio" von Papst Paul VI. (1967). Die Liebe in der Wahrheit sei wesentlicher Antrieb für die wirkliche Entwicklung der Menschen, eröffnet Benedikt das Rundschreiben an die Kirche und "an alle Menschen gutes Willens".

"Zersetzende Folgen"

Ohne Gewissen und Verantwortung werde soziales Handeln "ein Spiel privater Interessen und Logiken der Macht, mit zersetzenden Folgen für die Gesellschaft". Das gelte umso mehr in einer Gesellschaft in schwieriger Situation und auf dem Weg zur Globalisierung.

"Die Krise verpflichtet uns, unseren Weg neu zu planen", so Joseph Ratzinger. Absolut gesehen nehme der weltweite Reichtum zwar zu, doch die Ungleichheiten vergrößerten sich. In reichen Ländern verarmten neue Gesellschaftsklassen.

"Während die Armen der Welt noch immer an die Türen der Üppigkeit klopfen, läuft die reiche Welt Gefahr, wegen eines Gewissens, das bereits unfähig ist, das Menschliche zu erkennen, jene Schläge an ihre Tür nicht mehr zu hören."

Den Hunger zu besiegen hält der Papst auch für dringend, "um den Frieden und die Stabilität auf der Erde zu bewahren". Dafür fehle eine Ordnung wirtschaftlicher Institutionen sowie eine gerechte Agrarreform und innovative landwirtschaftliche Technologie. "Wir dürfen nicht Opfer sein, sondern müssen Gestalter werden, indem wir mit Vernunft vorgehen und uns von der Liebe und von der Wahrheit leiten lassen", sieht Benedikt die Globalisierung auch als Chance.

Der Papst bekräftigte die "dringende moralische Notwendigkeit einer erneuerten Solidarität", vor allem zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten: "Es gibt Platz für alle auf dieser Erde: Auf ihr soll die ganze Menschheitsfamilie die notwendigen Ressourcen finden."

"Umdenken ist bei allen gefordert"

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, würdigte die Enzyklika als entscheidenden Beitrag zur aktuellen Globalisierungs- und Gerechtigkeitsdebatte. Der Papst rufe vor dem Gipfel in L'Aquila nicht nur die politisch Verantwortlichen zum Handeln auf, sondern ermutige alle Menschen guten Willens, sich als Gestalter zu sehen. "Umdenken ist bei allen gefordert."

Zollitsch, der den Papst als "großen Theologen und Analytiker" bezeichnete, betonte, er wolle die Enzyklika in Gesprächen mit Vertretern von Politik und Wirtschaft einbringen. Er hoffe, dass sie die öffentliche Meinungsbildung bereichern werde.

"Impuls zum Handeln"

Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx nannte die Papst-Schrift ein "moralisches Ausrufezeichen" und betonte: "Es ist kein Jammerbrief über die Schlechtigkeit der Welt." Die Schrift sei "ein Impuls zum Handeln". Politisch sei bereits vieles in Bewegung gekommen, was durch diese Enzyklika Rückenwind bekomme.

Die CDU bezeichnete das Lehrschreiben als wichtigen Beitrag in der Debatte über die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Enzyklika "steht ganz in der Tradition der katholischen Soziallehre, die für die CDU bei der Entwicklung der Sozialen Marktwirtschaft prägend war und bis heute ist", erklärte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Sie mache deutlich, dass unternehmerische Freiheit und Initiative ebenso wichtig seien wie soziale Verantwortung und die Ausrichtung der Wirtschaft an den Interessen von Mensch und Umwelt.

Linke vremissen Konkretisierung

Die Linke nannte es begrüßenswert, dass sich der Papst zur globalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise äußere. "Leider bleibt die Enzyklika in Fragen konkreter Maßnahmen hinter den Erwartungen zurück", sagte der religionspolitische Fraktionssprecher Bodo Ramelow.

Die katholischen Laien sprachen von einem "Dokument der globalen Geschwisterlichkeit". Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (Zdk), Hans Joachim Meyer, äußerte sich "dankbar für diese Orientierung gerade in Zeiten der Krise und der fortschreitenden Globalisierung."

Caritas-Präsident Peter Neher erklärte: "Der Papst erinnert in deutlichen Worten an das, was im Zentrum allen Handelns stehen muss: die Achtung der Menschenwürde und die Anerkennung der wirklichen Bedürfnisse aller, die auf dieser Welt zu Hause sind." Der Papst zeige in dieser großen Enzyklika, wie ein Ausweg aus der Krise aussehen könnte.

© dpa/AP/Reuters/plin/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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