Entwicklungspolitik:Kein Visum für Despoten!

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Westliche Entwicklungshilfe finanziert das Jetset-Leben von Afrikas Eliten. Mit Ihnen sollte der Entwicklungshilfeminister endlich die Sprache sprechen, die sie wirklich verstehen.

Volker Seitz

Volker Seitz, 66, gehörte 43 Jahre lang dem Diplomatischen Dienst der Bundesrepublik an. Bis 2008 war er Botschafter in Kamerun. Er ist Autor des Buches "Afrika wird armregiert".

Die Präsidentenfamilie des Entwicklungslandes Kamerun ist Teil des internationalen Jetset: Präsidentin Chantal Biya (rechts) mit Paris Hilton. Chantals Ehemann regiert Kamerun seit 27 Jahren. (Foto: Foto: Reuters)

Die neue Bundesregierung hat jetzt die Chance, die Entwicklungspolitik grundlegend zu ändern. Es muss endlich gegen das Chaos in der Hilfsindustrie angekämpft werden. 1400 Mitarbeiter arbeiten in überflüssigen Doppelstrukturen, kritisiert der Bundesrechnungshof.

Die massive Hilfe an Entwicklungsländer mit Steuergeldern muss aufhören, solange Projekte der staatlichen Hilfe nicht viel länger existieren, als sie von außen subventioniert wurden. Wir sollten nur noch Bildung, Ausbildung, Aufbau demokratischer Institutionen, Kleinstkredite und arbeitsintensive Beschäftigungsprogramme unterstützen - so, dass sie auch ohne Hilfe aus dem Ausland leben können.

Der ghanaische Wirtschaftswissenschaftler George Ayittey hat ausgerechnet, dass seit 1960 die Summe von sechs Marshallplänen nach Afrika gepumpt wurde - "ohne erkennbares Ergebnis." Ferner hat er daran erinnert, dass in den sechziger Jahren Afrika sich selbst ernähren und sogar Lebensmittel exportieren konnte. Heute vertreten viele afrikanische Regierungen nicht die Interessen ihrer Bürger.

Ersatzhelden auf dem Fußballplatz

2004 errechnete die Afrikanische Union, dass die Korruption die Länder des Kontinents jährlich 148 Milliarden Dollar kostet. Hinzu kommt die Kapitalflucht aus Afrika mit etwa 22 Milliarden Dollar. Während ein großer Teil der regierenden "Elite" seit Jahren mit Härte und Kälte, ohne jede Entwicklungsorientierung und ohne Unrechtsbewusstsein sich der öffentlichen Ressourcen bedient, spielt sich das Leben der einfachen Afrikaner und vor allem Afrikanerinnen in der alltäglichen Misere des Überlebenskampfes ab.

So leben trotz allen materiellen und intellektuellen Potentials in großen Teilen Afrikas noch immer mehr als 40 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Ihr ehrenhaftes, mutiges Verhalten und ihre Würde habe ich in 17 Jahren in sieben Ländern auf Posten in Afrika schätzen gelernt. Es gibt dort viele Menschen, deren Handeln ausschließlich von den Gesetzen der Anständigkeit und der Integrität bestimmt ist.

Mangels anderer wirtschaftlicher Erfolgserlebnisse suchen die Menschen Zuflucht bei ihren Fußballhelden. Siege von Drogba, Eto'o oder Adebayor trösten und lassen die Demütigungen für kurze Zeit vergessen.

Diese ganz überwiegend demokratisch gesinnte Bevölkerung wünscht sich rechtsstaatliche Verhältnisse und eine wirtschaftliche Zukunft im eigenen Land. Vor der Armut in die reichen Länder Europas und Nordamerikas fliehen zu müssen, bedeutet ein Unglück für sie.

Wenn die Gesellschaften vorankommen wollen, brauchen sie deshalb stabile staatliche Strukturen und durchsetzungsfähige gemeinwohlorientierte Regierungen. Beides fehlt in vielen Ländern. Häufig arbeiten gerade die Regierungen gegen die Interessen der Bevölkerung und schaffen damit Armut. Die Bundesrepublik will Hilfe zur Selbsthilfe leisten - aber das geht nur dort, wo die Eliten das Konzept auch umsetzen wollen.

Die Eliten müssen sich zur Verantwortung für die Entwicklung der ihnen anvertrauten Länder durchringen. Alle noch so gut gemeinten Entwicklungsanstrengungen der zahlreichen Geber werden heute von der Ausplünderungsmentalität des korrupten Teils der politischen und administrativen Oberschicht überlagert und zunichte gemacht.

Das Finanzchaos ist kalkuliert

Seit langem ist bekannt, dass ein Staat sich nur entwickeln kann, wenn das - oft genau kalkulierte - Chaos in den afrikanischen Finanzverwaltungen beendet wird, das die Unterschlagungen der Mächtigen verschleiern soll. Wir müssen den politischen Willen und die Einsicht der Verantwortlichen in ihre eigenen Interessen fördern, bevor noch mehr materielle Hilfe folgt. Dennoch machen die Geber einfach weiter.

Die Neureichen in Afrika haben drei Handys im italienischen Anzug stecken und sind zu allem bereit, um an eine Villa, an einen Geländewagen der Luxusklasse und an Auslandskonten zu kommen. Die Führung des Landes lebt ihnen diesen Stil vor. Das französische Magazin L'Express hat im Februar dieses Jahres ausführlich über die angehäuften Reichtümer afrikanischer Präsidenten in Frankreich berichtet.

Lesen Sie weiter, welchen Luxus sich afrikanische Präsidenten auf Staatskosten gönnen.

Demnach besitzt die Familie des Präsidenten von Gabun, Ali Bongo, der vor ein paar Wochen seinen Vater im Amt des Staatspräsidenten beerbt hat, 39 Immobilien in Paris, meist in bester Lage, außerdem 70 Bankkonten und neun Luxusautos.

Ist gefordert, klar Worte für Afrikas Despoten zuu finden: Der neue Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) (Foto: Foto: ddp)

Denis Sassou Nguesso, der Präsident des Nachbarstaates Kongo-Brazzaville, besitzt nur 18 Anwesen, verfügt aber über 112 Bankkonten. Bescheiden ist demnach der Präsident des benachbarten Inselstaates Äquatorialguinea, Teodoro Obiang Nguema. Von ihm sind nur ein Anwesen und ein Bankkonto bekannt. Dafür hat sein Sohn in Frankreich Autos der Marken Maybach, Ferrari, Bugatti, Maserati und Rolls-Royce, deren Wert auf 4,2 Millionen Euro geschätzt wird.

Kamerun ist ein Schwerpunktland deutscher Entwicklungshilfe und bekam allein von Deutschland 1,4 Milliarden Schulden erlassen. Sein Präsident Paul Biya, seit 27 Jahren im Amt, verbrachte im September 2009 mit dem erforderlichen Personal seinen Urlaub in Frankreich. Der dreiwöchige Aufenthalt in 43 Suiten und Zimmern kostete nach französischen Medienberichten 900 000 Euro.

Politisch korrektes Schweigen

Ein solch verschwenderisches Verhalten darf künftig bei aller diplomatischer Rücksichtnahme vom deutschen Entwicklungshilfe-Minister nicht unkommentiert bleiben. Im Koalitionsvertrag steht, dass gute Regierungsführung gestärkt werden soll. Wir stärken die demokratischen Kräfte aber nur, wenn wir nicht so weiter machen wie bisher und - angeblich politisch korrekt - schweigen.

Im Koalitionsvertrag steht auch, dass "rechtsstaatliche Mindeststandards und die Einhaltung der Menschenrechte zu berücksichtigen sind". Es gehört kein großer Mut dazu, da deutlich zu werden.

US-Präsident Barack Obama hat bei seinem Besuch in der ghanaischen Hauptstadt Accra das afrikanische Grundübel angeprangert: Das Potential Afrikas könne sich nicht entfalten, wenn afrikanische Eliten nicht begriffen, dass Korruption, schlechtes Regieren und fehlende demokratische Strukturen die Entwicklung des Kontinents gefährden.

Am 24. September wurde der amerikanische Unterstaatssekretär Johnnie Carson noch deutlicher. Er schrieb 15 kenianischen Ministern, Abgeordneten und hohen Beamten - und erklärte ihnen: Ohne ernsthaften Kampf gegen Korruption werde es künftig für die USA keine Visa mehr geben. Das trifft die Herren noch mehr als Obamas Rede.

© SZ vom 11.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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