Entwicklungsminister auf Afrikabesuch:Müller entdeckt den Wert des Mangosafts

Entwicklungsminister Müller in Kenia

In einer Fabrik in Nairobi begutachtet Entwicklungsminister Gerd Müller kenianischen Fruchtsaft.

(Foto: Brian Otieno/dpa)
  • Entwicklungsminister Gerd Müller will Afrika mit einem "Marshallplan" fördern und fordern.
  • Mit, nicht für Afrika will Deutschland arbeiten, das Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche" soll herrschen.
  • Von Investitionen sollen "Reformchampions" profitieren: die Länder mit effizienter Regierung und innovativen Unternehmen.

Von Michael Bauchmüller, Thika

Die Mangos fahren wie auf einer Rolltreppe nach oben, und Gerd Müller freut sich. Müller, ganz Mann der Tat, hat gerade vor Fotografen eine Obstkiste vor dem Fließband ausgeleert, nun streben die Mangos der Saftpresse entgegen. Müller mit Obstkiste, Müller mit Arbeiterin, Müller mit jungen Auszubildenden - wie wichtig Bilder für einen Entwicklungsminister sind, hat der CSU-Mann längst erkannt. Gerd Müller ist schließlich Deutschlands Beauftragter für die Weltrettung.

Milliarden stecken nicht im Marshallplan, dafür viele Versprechen

Bei den Mangos aber ist er ganz außer sich vor Freude. Einmal aus der Obstkiste, werden die Früchte im Innern großer Maschinen zu Saft, der Saft wiederum landet in Plastikflaschen, die wiederum sauber etikettiert und in Plastik verpackt die Supermärkte Ostafrikas erobern. Nicht weit von Kenias Hauptstadt Nairobi steht in der Kleinstadt Thika die größte Saftfabrik Kenias, Kevian. Hinter blitzblankem Edelstahl wummert hier so manche deutsche Maschine, finanziert auch aus Krediten der deutschen Entwicklungsbank DEG. "Genau so muss es gehen", sagt Müller. "Diese Fabrik brauchen wir hundertmal, tausendmal. Millionenmal brauchen wir die." So klingt das, wenn ein Gerd Müller richtig begeistert ist.

Es steckt ganz einfach vieles darin, was dem Allgäuer wichtig ist, was ihm gefällt. Da wären etwa die 360 000 Kleinbauern der Umgebung, bei denen das Obst eingesammelt wird. Die finden so nicht nur verlässliches Auskommen, sie werden auch das Obst los, ehe es in der Hitze Afrikas an Marktständen verfault.

Als Bauernsohn weiß Müller selbst, was verlässliche Lieferbeziehungen bedeuten. Und es steckt echte Wertschöpfung darin, denn aus Kenia kommen damit nicht nur reife Mangos, sondern fertig zubereiteter Saft. Auch Äpfel und Trauben verarbeitet die Fabrik, aus Tomaten macht sie Ketchup. In die Kameras des kenianischen Fernsehens sagt Müller: "Wir bieten gute Maschinen, und hier kommt der beste Saft der Welt raus." Zum Chef von Kevian sagt er: "Sie können stolz sein. Sie sind unser bevorzugter Partner für den Marshallplan."

Mit Afrika auf Augenhöhe - kein Land der Krisen, ein Land der Chancen

Zur Erinnerung: Marshallplan hieß nach dem Zweiten Weltkrieg das amerikanische Programm zum Wiederaufbau Westeuropas. Zwischen 1948 und 1952 flossen dafür 12,4 Milliarden Dollar über den großen Teich. Bei den Summen kann Müller nicht mithalten, aber der Name ist einfach zu schön. Kurzerhand hat er daraus einen Plan "mit" Afrika gemacht, nicht "für". Das verheißt Partnerschaft auf Augenhöhe, aber eben nicht das, was den ursprünglichen Marshallplan ausmachte: Geld für andere. Milliarden enthält der Plan des Ministers nicht, dafür aber belegt er sein Talent für Marketing. Kurzerhand hat Müller die Marke aus der Nachkriegszeit gekapert. Ein "integriertes Konzept für Afrika", so nennt es Müller. Ein "Scheinriese", urteilen Entwicklungsorganisationen.

Mindestens in Kenia kommt das Konzept gut an, bei einer Konferenz in Nairobi vorige Woche kriegt sich der Moderator gar nicht mehr ein vor Freude über den Plan "mit" Afrika, der Applaus ist groß. Dabei sind die Botschaften, die Müller zu seinem Plan verbreitet, gar nicht so angenehm. Sein Programm heißt Zuckerbrot und Peitsche, ganz kurz gefasst. Müller aber fasst sich nicht kurz, er redet lang. "Zusammen, gemeinsam gestalten wir die Zukunft!", ruft er dem Publikum zu. "Afrika ist nicht der Kontinent der Krisen und der Katastrophen, sondern der Chancen, der Jugend und des Wachstums." Oder den: "Wir brauchen afrikanische Lösungen, nicht deutsche oder europäische." Lauter Sätze, denen kaum zu widersprechen ist, die direkt aus einer Nichtregierungsorganisation kommen könnten, einer NGO. In solchen Momenten, und es gibt viele davon, klingt Gerd Müller wie die personifizierte NGO der Bundesregierung.

Die Deutschen liefern gute Menschen, die Afrikaner den besten Saft

Doch dann enthüllt er die andere Seite des Plans, Müller selbst nennt sie "Fordern und Fördern". "Afrika muss selbst mehr leisten", sagt er. "Die Zeit der Entwicklungshilfe, da kommt ein reicher Onkel und gibt Geld, die ist vorbei." Sogenannte "Reformchampions", in denen Regierungen effizient arbeiten und die Wirtschaft floriert, sie sollen deutsche Hilfe bekommen. Manches klingt, als wolle Müller zum Ende seiner ersten Amtsperiode die Entwicklungshilfe noch einmal ganz neu erfinden. Und als entdecke er dabei auch die Rolle der Wirtschaft. Deutsche Firmen sollen vom Wachstum in Afrika profitieren. "Wir brauchen weniger Krawattenträger und mehr, die mit den Händen arbeiten können", sagt der deutsche Minister noch. Wer Arbeit hat, flieht nicht so schnell.

"In der Analyse hat Müller in vielen Punkten recht", sagt Bernd Bornhorst, Kopf des Entwicklungs-Dachverbands Venro. "Trotzdem beschleicht einen der Verdacht, dass da auch eine Botschaft an die heimische Wählerschaft drinsteckt." Obendrein steckten in dem Marshallplan auch eine ganze Reihe von Ideen, die ein Entwicklungsminister gar nicht allein umsetzen kann, etwa der Kampf gegen Steuerhinterziehung. "Wenn es um die Steuerflucht geht, müsste eigentlich das Finanzministerium ran", sagt Bornhorst. Doch konkrete Vorgaben, wie sich der Plan in die Tat umsetzen lässt, wie verschiedene Ministerien daran mitwirken, suche man vergeblich. "Die Überschriften sind gut", sagt auch Stefan Liebing, Chef des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. "Jetzt müssen sie aber unterfüttert werden." Der Minister selbst sagt in Nairobi: "Wir sagen das nicht nur, wir werden das umsetzen."

Große Worte, wenig Wirklichkeit

Auch das macht für Müller den Charme einer Fabrik aus, in die man vorne Obst reinkippt, damit hinten sauber etikettierte Saftflaschen rauskommen. Wie schwer aber aus einer sauberen Analyse eine bessere Welt wird, das hat er in den vergangenen Jahren zur Genüge erfahren können. So kämpft er dafür, dass etwa Kakaoarbeiter mehr vom Schokoladenerlös bekommen, dass Näherinnen bessere Arbeitsbedingungen vorfinden. Er prangert verschwenderische Lebensstile an und verweist auf die Verantwortung einstiger Kolonialherren. Müllers Worte sind immer groß, nie falsch. Aber selten folgenreich.

Andererseits - wer sonst am Kabinettstisch ergreift Partei für die großen Themen der Menschheit? Wer zieht die langen Linien? Müller, daran besteht kein Zweifel, hat Gefallen an seiner Aufgabe gefunden. Mit 61 Jahren ist er jung genug für eine zweite Amtszeit. Dann allerdings werden Worte und Pläne allein nicht mehr reichen.

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