Entwicklungspolitik:Ärzte für Syrien

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Entwicklungsministerin Svenja Schulze machte sich vor einem Monat in Damaskus selbst ein Bild von den Zerstörungen durch den Bürgerkrieg. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Nicht nur wegen Donald Trump ist die Entwicklungshilfe in der Defensive – auch im deutschen Wahlkampf spielt sie kaum eine Rolle. Wie wichtig sie ist, zeigt eine deutsch-syrische Klinikpartnerschaft.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Svenja Schulze ist umgeben von Willigen. An die 300 Ärzte umschwirren sie, die meisten aus Syrien. Sie wollen beim Wiederaufbau des syrischen Gesundheitssystems mithelfen. Alle leben und arbeiten in Deutschland, alle wollen nun mit anpacken. Ausnahmsweise stellt mal keiner die Frage nach dem Sinn.

Mittwochmorgen, die Entwicklungsministerin von der SPD hat ins Humboldt-Carré in Berlin gebeten. Nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg in Syrien soll jetzt eine deutsch-syrische Klinikpartnerschaft helfen, Krankenhäuser und Arztpraxen wieder auf Vordermann zu bringen, durch Fortbildungen, medizinische Apparate, eine stabile Stromversorgung. Allein in Deutschland leben 6000 Ärztinnen und Ärzte mit syrischem Pass. Auf die wolle man hier zwar nicht verzichten, sagt Schulze – aber beim medizinischen Wiederaufbau kann vermutlich niemand besser helfen als sie. Sie treffe hier auf „Hoffnung, Zuversicht und Engagement“, sagt die Ministerin zum Auftakt der Konferenz. „Das tut gut in Zeiten, in denen so viel Engagement zerstört wird.“

„Das beste Instrument, um auf Frieden, Demokratie und menschliche Sicherheit in der Welt hinzuwirken.“

Wohl wahr. Erst gut eine Woche liegt der Schlag zurück, den US-Präsident Donald Trump der internationalen Entwicklungszusammenarbeit versetzt hat. Zieht er den Kahlschlag bei der US-Hilfsbehörde USAID durch, fallen 40 Prozent der globalen Entwicklungshilfe weg. Für Millionen Menschen kann das den Tod bedeuten, für viele andere bittere Armut, warnen Hilfsorganisationen. Trump haben derlei Warnungen bisher nicht beeindrucken können.

Doch auch in Deutschland gab es schon bessere Zeiten für die Entwicklungszusammenarbeit. „Sie spielt im Wahlkampf leider gar keine Rolle, dabei hängt sie mit all den globalen Fragen zusammen, die alle Menschen so beschäftigen“, sagt Åsa Månsson, Geschäftsführerin von Venro, dem Dachverband der Entwicklungsorganisationen. „Und sie ist das beste Instrument, das Deutschland besitzt, um auf Frieden, Demokratie und menschliche Sicherheit in der Welt hinzuwirken.“ Stattdessen hält die AfD die deutsche Entwicklungspolitik für „gescheitert“ und will die Mittel zusammenstreichen. Die FDP liebäugelt mit der Zusammenlegung von Außen- und Entwicklungsministerium, das Bündnis Sahra Wagenknecht spart das Thema fast gänzlich aus. Weit vorn steht das Thema ohnehin in keinem Programm. Die Entwicklungspolitik ist schwer in die Defensive geraten, und Donald Trump gibt ihren Kritikern noch Nahrung.

Noch geht das an den Europäern weitgehend vorbei – obwohl in einigen europäischen Hauptstädten Rechtspopulisten regieren. Am Dienstag waren in Warschau die Entwicklungsminister der EU zusammengekommen, es ging auch um USAID. Das eigene Engagement habe deswegen aber keiner in Zweifel gezogen, hieß es nach dem Treffen. Allenfalls habe es Warnungen gegeben, mit Washington nicht zu hart ins Gericht zu gehen. Den EU-Staaten sei eben bewusst, dass der Rückzug der USA eine Lücke aufreißt, „in die nun auch China und Russland stoßen könnten“, sagt der deutsche Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth. „Umso wichtiger ist, dass das Team Europe noch enger kooperiert und auch verstärkt politisch arbeitet.“ Gerade die Entwicklung in Syrien zeige doch, „welche Chancen globales Engagement für Frieden und Sicherheit bietet“.

„Konflikte brechen viel öfter dann aus, wenn Menschen keine Perspektive haben.“

Darauf weisen auch Entwicklungsexperten hin. Passend zur Münchner Sicherheitskonferenz macht die Organisation One, die sich der Bekämpfung extremer Armut widmet, auf eine Studie des Internationalen Währungsfonds aufmerksam, die kurz vor Weihnachten herauskam, allerdings ohne großen Widerhall. Demnach könnte ein Dollar, der in die Vorbeugung von Konflikten investiert wird, in fragilen Staaten bis zu 103 Dollar an sogenannten Konfliktkosten sparen – seien es Verluste an Menschenleben oder Zerstörungen aller Art.

Diese Investitionen fasst der Währungsfonds weit, sie gehen über klassische Entwicklungshilfe hinaus und betreffen zum Beispiel auch die Stärkung staatlicher Institutionen und ein Wirtschaftswachstum, an dem viele teilhaben. Aber aus Sicht von One-Chef Stephan Exo-Kreischer steckt darin auch ein Appell, in der Hilfe nicht nachzulassen. „Konflikte brechen viel öfter dann aus, wenn Menschen keine Perspektive haben“, sagt er. Wer Sicherheitspolitik ernst nehme, für den seien „Investitionen in die Entwicklung keine Almosen, sondern Ausdruck von gesundem Menschenverstand“.

Gesunder Menschenverstand ermöglicht nun auch die Klinikpartnerschaften mit Syrien. Ende Januar, als sich der Bundestag über die Migrationspolitik zerlegte, fand sich im Haushaltsausschuss trotzdem eine Mehrheit für das Projekt. Mit 15 Millionen Euro ist diese Hilfe erst einmal gut finanziert.

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