Entwicklungshilfe:Entwicklungshilfe als Druckmittel ist der falsche Weg

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In Kenia unterstützen deutsche Entwicklungshelfer Einheimische bei der Verarbeitung und Vermarktung von lokalen Gütern. Zusammenarbeit wie diese legt die Grundlage für wirtschaftliche Entwicklung - und bekämpft dadurch effektiv Fluchtursachen. (Foto: GIZ/Dirk Ostermeier)

Mit Entwicklungshilfe Staaten zu sanktionieren leuchtet ein. Aber es ist grundfalsch - aus politischer, wirtschaftlicher und moralischer Sicht.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Wer zahlt, schafft an - die Rechnung versteht jeder, auch an deutschen Stammtischen. Wenn Staaten etwa in Nordafrika Flüchtlinge nicht zurücknehmen, sollen sie auch weniger Entwicklungshilfe erhalten. Auf diese Gleichung bewegt sich die Bundesregierung gerade in großen Schritten zu, und damit es nicht so platt klingt, nennt sie das Programm "more for more, less for less". Wer aber so Entwicklungspolitik betreibt, der hat sie einfach nicht verstanden.

Denn echte Entwicklungshilfe richtet sich nicht an Regierungen, sie richtet sich an Menschen. Wenn in Mosambik aus deutschen Steuermitteln eine Berufsschule entsteht, wenn Menschen in Uganda mit deutscher Hilfe sauberes Wasser bekommen oder in Jordanien Frauen zu Klempnerinnen ausgebildet werden, dann dient all das nur indirekt den Regierungen. Es kann Staaten stabilisieren, weil es im besten Fall Armut und Ungleichheit verringert. Vor allem aber eröffnet es Menschen Perspektiven auf ein besseres Leben.

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Der reiche Onkel aus Deutschland ist sauer

Wer nun Entwicklungshilfe zum Instrument deutscher Innenpolitik macht, ignoriert schon die einfachsten Zusammenhänge. Etwa den, dass Menschen ohne solche Perspektiven noch eher zu Flüchtlingen werden, dass destabilisierte Staaten niemals eine gute Heimat bieten können. Er übersieht, dass Entwicklungshilfe nicht nach Gutdünken vom reichen Onkel aus Europa verteilt wird, sondern auf Verträgen basiert. Mal ganz abgesehen davon, dass Vertragstreue zu den Werten gehört, die Deutschland in Entwicklungsländern gerne befördern möchte, machen derlei Verträge schon heute Reformen und eine bessere Regierungsführung zur Bedingung. In vielen Staaten helfen europäische Entwicklungshelfer beim Aufbau funktionierender Verwaltungen - eben solcher Verwaltungen, wie sie deutsche Behörden in ihrer plötzlichen Abschiebehektik nun vermissen. All das stünde nun auf dem Spiel - denn der reiche Onkel ist sauer.

Die Entwicklungshilfe, das ist das eigentliche Drama, hat in jüngerer Zeit einen instrumentellen Charakter bekommen, der die eigentlichen Zusammenhänge verwischt. Ja, es stimmt: Wer Menschen in ihrer Heimat hilft, kann Fluchtursachen vermindern - und umgekehrt. Aber ist der Sinn von Entwicklungshilfe allein, Europa vor dem Ansturm der Armen zu bewahren? Ist der reiche Onkel also nur noch dann spendabel, wenn es Menschen vor der eigenen Haustür dreckig genug geht, wenn es obendrein Boote gibt, die sie nach Lampedusa bringen? Die Rhetorik der letzten Monate klingt gefährlich danach.

Das wäre ein Rückschritt ins Vorgestern. Es geht eben nicht um die politisch korrekte Form, die Festung Europa abzuschotten, auch nicht um die Stützung ideologisch gewogener Regierungen oder die Anbahnung lukrativer Aufträge - sondern um eine schiere Selbstverständlichkeit in einer Welt, in der Chancen und Wohlstand so ungleich verteilt sind. Keiner, der Entwicklungshilfe genießt, hat sie gern nötig. Sie ist auch keine Belohnung. Genauso wenig darf ihr Entzug Strafe sein.

© SZ vom 12.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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