Enttarnter Islamist:Gesucht: Observanten für den Verfassungsschutz

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Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln

(Foto: imago/JOKER)

Der enttarnte Islamist kam als "Quereinsteiger" zum Inlandsgeheimdienst und durchlief die üblichen Sicherheitschecks. Doch was heißt das genau? Und wie wird man Mitarbeiter der Behörde?

Von Barbara Galaktionow

Nach der Enttarnung eines mutmaßlichen Islamisten beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bleiben viele Fragen offen, auch die nach möglichen Lücken bei der Besetzung von Stellen. "Wir werden natürlich diesen Vorgang gründlich aufarbeiten, um zu sehen, was wir daraus lernen können", sagte der Präsident des Amts, Hans-Georg Maaßen, am Rande eines Treffens der Länder-Innenminister in Saarbrücken.

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt derzeit gegen einen Verfassungsschutzmitarbeiter wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und der versuchten Verletzung von Dienstgeheimnissen. Der Mann sollte die gewaltbereite salafistische Szene beobachten. In einem Chat verbreitete er jedoch selbst islamistische Parolen. Der 51-Jährige arbeitete der Staatsanwaltschaft zufolge seit April 2016 als "Quereinsteiger" beim Verfassungsschutz.

Das ist nicht ungewöhnlich. Man könne beim Verfassungsschutz eine Ausbildung im gehobenen und mittleren Dienst absolvieren, erläutert eine Pressesprecherin der Behörde. "Quereinsteiger" seien einfach alle Mitarbeiter, die nicht über diesen Weg gekommen seien. Und neben Fremdsprachenexperten kämen auch "Observanten" häufig von außen.

Wie genau der Mann an seine Stelle kam, hat der Verfassungsschutz bislang nicht öffentlich gemacht. Nach Informationen des Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele hat sich der enttarnte mutmaßliche Islamist selbst auf eine offene Stelle bei der Behörde beworben.

Denn auch beim Geheimdienst ist es gängige Praxis, dass Stellen öffentlich ausgeschrieben werden - wie in jeder Behörde. Über seine Website sucht das Bundesamt für Verfassungsschutz derzeit "Volljuristinnen und Volljuristen", "Sachbearbeiter/innen für den Phänomenbereich Rechtsextremismus/-Terrorismus" oder "Fremdsprachliche Mitarbeiter/innen mit sehr guten Sprachkenntnissen in Paschtu".

Offene Stellen des BfV werden auch mal in Zeitungen inseriert. 2014 suchte der Verfassungsschutz in einer Anzeige für den Bereich "Observation" einen Mitarbeiter: "Sie sind ein politisch interessierter, mobiler Mensch, der mit offenen Augen seine Umwelt wahrnimmt." Das mochte skurril anmuten - war aber ernst gemeint.

Die Besonderheit des Bewerbungsverfahrens beim Geheimdienst liegt vor allem darin, dass Bewerber nicht nur rein fachlich geeignet sein müssen, sondern auch eine strikte Sicherheitsüberprüfung überstehen müssen. So dürfen sie nicht vorbestraft sein, müssen in wirtschaftlich gesicherten Verhältnissen leben und dürfen in ihrer Biografie keine undurchsichtigen Vorgänge oder dunkle Flecken aufweisen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sie nicht bestochen oder erpresst werden können.

"Gute Arbeit" geleistet

Auch frühere Reisen der Bewerber in möglicherweise sicherheitsrelevante Länder können genauer unter die Lupe genommen werden. Hinzu kommt die Befragung von Personen aus dem Umfeld der Bewerber, die für deren Integrität bürgen.

So war das dem Verfassungsschutzpräsidenten zufolge auch im Fall des nun enttarnten Mitarbeiters. Vor der Einstellung habe es eine "gründliche Sicherheitsprüfung" gegeben, "wo fünf Referenzpersonen befragt und wo sämtliche Register abgecheckt wurden", sagte Maaßen. Bei dem enttarnten Mitarbeiter handle es sich um einen "deutschen mehrfachen Familienvater". Dieser stamme "aus geordneten Verhältnissen" und habe "dann auch im Dienst gute Arbeit gemacht". Er sei schon vor der Einstellung zum Islam konvertiert - ob er damals schon die Absicht gehabt habe, einen Anschlag zu verüben, müsse noch festgestellt werden. Nach bisherigem Erkenntnisstand habe es noch "keine konkreten Planungen" gegeben.

Verdächtige Brüche in der Biografie

Maaßen betont, dass sein Amt "einen außerordentlich hohen Standard bei der Einstellung von Personen" habe. Das Amt habe im Zuge des Auswahlverfahrens für die Stelle eine "ganze Reihe von Personen ... filtern und aussieben können", bei denen es den Eindruck hatte, es seien "Extremisten oder Personen, die für ausländische Nachrichtendienste arbeiten".

Unklar bleibt, warum ein mutmaßlicher Islamist durchs Raster fiel. Es gebe zwei Möglichkeiten, sagte hierzu der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka der SZ: "Entweder es wurden nur bei diesem Einzelfall die Sicherheitsüberprüfungen lax angewendet - warum auch immer. Denn nach allem, was mir bekannt ist, gab es bei dem Verdächtigen Brüche in der Biografie, die bei der Sicherheitsüberprüfung hätten auffallen müssen." Oder es gebe generell "gefährliche Lücken" bei den Sicherheitsüberprüfungen, dann müssten diese schnellstens abgestellt werden.

"Ich möchte mir nicht ausmalen, was passieren könnte, wenn etwa ein Islamist in einem Bereich arbeitet, wo es eigentlich um die Bekämpfung des Islamismus gehen soll", sagte Lischka, der im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) sitzt, das die Geheimdienste kontrolliert.

Problem Personalmangel

Ströbele, ebenfalls PKGr-Mitglied, nannte es im Gespräch mit der SZ eine "Horrorvorstellung", dass islamistische Aufforderungen jetzt "direkt aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz kommen beziehungsweise von einem Mitarbeiter im Amt". Das Kontrollgremium müsse jetzt dringend die Frage klären, ob die Verfassungsschutzbehörde ihre wichtigste Aufgabe, nämlich Spionage abzuwehren, vernachlässigt habe.

Ob möglicherweise auch Personalmangel beim Verfassungsschutz dazu beitrage, dass ungeeignete Bewerber eingestellt werden, lässt sich nicht sagen. Tatsächlich steht die Behörde mit dem Anwachsen radikaler islamistischer Strömungen auch personell vor neuen Herausforderungen. Zugleich genießt sie vor allem seit ihrem Versagen bei der Aufklärung der Verbrechen der rechtsextremen NSU-Terrorzelle in der Öffentlichkeit nicht gerade den besten Ruf.

Und auch manche Strategie, mit der frisches Personal gelockt werden soll, wirkt doch einigermaßen befremdlich. So fiel Maaßen vergangenes Jahr mit dem Satz auf, in manchen Bereichen der Behörde könne man "all das machen, was man schon immer machen wollte". "Aber man ist straflos, zum Beispiel Telekommunikationsüberwachung."

Der Grüne Ströbele sagt dazu nur: "Es ist in der Tat so, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz Mühe hat, eine ganze Reihe von Stellen zu besetzen." Aber im Fall des mutmaßlichen Islamisten wurde doch "offensichtlich ein Fehler gemacht". Lischka betont, wenn der Verfassungsschutz einen Islamisten einstelle, könne man das "auch nicht mit einem vermeintlichen Mangel an Personal erklären".

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