Süddeutsche Zeitung

Entscheidung zu Krebsuntersuchungen:Riskante Vorsorge

Krankenkassen und Ärzte haben sich gegen die Pflicht zur Krebs-Früherkennung ausgesprochen. Es ist eine gute - weil wissenschaftlich fundierte - Entscheidung: Studien zeigen, dass Früherkennungstests mit teils erheblichen Risiken einhergehen.

Werner Bartens

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat eine gute Entscheidung getroffen. Das unabhängige Gremium, das verschiedene Organisationen im Gesundheitswesen vertritt und darüber befindet, welche Leistungen von den Krankenkassen übernommen werden, hat sich gegen die Pflicht zur Früherkennung ausgesprochen.

Aus medizinischer Sicht ist dies die richtige Antwort auf einen populistischen Vorstoß der Politik. Denn die Gesundheitsreform sieht in der Chronikerregelung vor, dass Kranke regelmäßig an Früherkennungstests teilgenommen haben müssen, damit ihre Zuzahlung zu Medikamenten reduziert wird.

Diese finanzielle Buße für Kranke widerspricht wissenschaftlichen Erkenntnissen. Etliche Studien zeigen, dass Früherkennungstests mit - teils erheblichen - Risiken einhergehen.

Regelmäßig werden Tumore übersehen. Ebenso regelmäßig wird fälschlicherweise Krebs diagnostiziert. Der Schaden, der entsteht, wenn jemand beschwerdefrei zum Arzt kommt und dort - ohne bösen Willen - krankgeredet wird, ist schwer zu ermessen.

Mutige Schritte im Sinne der PatientenAber auch handfeste mögliche Nebenwirkungen wie die Strahlenbelastung während der Mammographie oder Verletzungen bei einer Darmspiegelung haben den G-BA zu seiner Entscheidung bewogen.

Der Ausschuss hat erkannt, dass Früherkennung nicht automatisch Vorsorge bedeutet. Manchmal werden durch Tests auf Krebs nur die Sorgen vorverlegt. Dann, wenn eine Diagnose zwar früher gestellt, aber die Prognose dadurch nicht verbessert wird.

Die Pflicht zur Beratung und das Nein zur verpflichtenden Früherkennung sind mutige Schritte im Sinne der Patienten - gleichzeitig entlarven sie den Aufruf zur Vorsorge im Wartezimmer als Propaganda.

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Quelle:
SZ vom 21.7.2007
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