Entscheidung in Kiew und Straßburg:Ukraine und EU billigen Assoziierungsabkommen

Annäherung zwischen Ukraine und EU: Die Parlamente in Kiew und Straßburg stimmen fast zeitgleich dem Assoziierungsabkommen zu. Das darin enthaltene Freihandelsabkommen soll wegen des russischen Widerstands aber erst von 2016 an gelten.

  • Das ukrainische Parlament nimmt das Assoziierungsabkommen mit der EU an, fast gleichzeitig stimmt auch das Europaparlament in Straßburg zu.
  • Das Parlament in Kiew beschließt ein Gesetz über einen Sonderstatus für den Donbass.
  • Die Bundeswehr schickt Soldaten in die Ukraine. Sie sollen prüfen, ob Deutschland eine OSZE-Mission mit Aufklärungsdrohnen unterstützen wird.
  • Russland sagt neue Gespräche mit der Ukraine über Gaslieferungen zu - aber will die Truppen auf der Krim verstärken.

Ukraine und EU stimmen Assoziierungsabkommen zu

Das ukrainische Parlament hat das Partnerschaftsabkommen mit der Europäischen Union im Beisein von Präsident Petro Poroschenko einstimmig angenommen. "Wir lassen uns nicht erpressen, wir haben durchgehalten", sagte Poroschenko. "Heute wählen wir eine europäische Zukunft und diese Wahl ist hart und entscheidend", sagte Parlamentspräsident Alexander Turtschinow. Zugleich nahm das per Videoübertragung zugeschaltete Europaparlament in Straßburg das Abkommen mit großer Mehrheit an. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) wertete die Ratifizierung als "historischen Augenblick". Noch nie hätten zwei Parlamente gleichzeitig einen Text unterzeichnet. "Darauf können wir stolz sein", sagte Schulz.

Gegen einen darin enthaltenen Freihandelspakt leistet Russland Widerstand und hat zahlreiche Änderungswünsche angemeldet. Um den Streit mit Moskau inmitten des Ukraine-Konflikts zu entschärfen, soll der Freihandelspakt erst ab 2016 gelten.

Um in Kraft zu treten, müssen aber noch alle EU-Regierungen das Abkommen billigen. Es soll zum 31. Dezember kommenden Jahres umgesetzt werden. Ziel ist eine enge politische Verbindung und die weitgehende Abschaffung von Handelsbeschränkungen. Eigentlich sollte das Assoziierungsabkommen bereits Ende vergangenen Jahres unterzeichnet werden, der damalige Staatschef Viktor Janukowitsch stoppte den Prozess aber und wandte sich stattdessen Russland zu. In der Folge gab es schwere Proteste, die in den aktuellen Konflikt mündeten.

Parlament in Kiew beschließt Gesetz über Sonderstatus für den Donbass

Im Ringen um Frieden in der Ostukraine hat das Parlament in Kiew ein Gesetz über den Sonderstatus der Konfliktregion sowie eine Amnestie für die Separatisten beschlossen. Damit sollen die Selbstverwaltungsrechte der Regionen Donezk und Luhansk gestärkt werden, teilte Präsident Petro Poroschenko mit. Der prowestliche Staatschef hatte das Gesetz am Vormittag in der Obersten Rada eingebracht.

Demnach sollen die Beteiligten an den bewaffneten Kämpfen straffrei bleiben. Nur besonders schwere Verbrechen sollen geahndet werden. Das Gesetz über den Sonderstatus gilt für drei Jahre. Es verbrieft etwa das Recht auf die eigene Sprache für die russischsprachige Bevölkerung. Zudem soll die Selbstverwaltung der Gebiete gestärkt werden. Auch eine enge Kooperation mit angrenzenden russischen Gebieten soll ermöglicht werden.

Das Gesetz gesteht den Regionen außerdem eigene Wahlen und die Bildung einer eigenen Volksmiliz in den bislang von prorussischen Separatisten kontrollierten Regionen zu. Im Gegenzug sollen die Aufständischen in den von ihnen ausgerufenen Volksrepubliken Donezk und Luhansk auf ihre Forderung nach Unabhängigkeit verzichten.

Einige Politiker in Kiew sehen in dem Gesetz die Gefahr einer schleichenden Abspaltung der Ostukraine. Die Separatisten äußerten sich skeptisch zu den Vorschlägen. Sie kündigten aber eine Prüfung von Poroschenkos Gesetz an.

Deutschland sendet Erkundungsteam in die Ukraine

Die deutsche Regierung ist zur Entsendung von Aufklärungsdrohnen zur Überwachung der Waffenruhe in der Ukraine bereit. Noch am Dienstag soll ein Erkundungsteam der Bundeswehr mit 14 Soldaten in die Ukraine aufbrechen, um eine solche Beteiligung an einer OSZE-Mission zu prüfen, wie das Verteidigungsministerium mitteilt. Die Erkundung werde etwa drei bis fünf Tage dauern, heißt es in der Mitteilung. Beschlossen wurde der Einsatz im Rahmen des Nato-Gipfels in Wales. An der Mission beteiligen sich auch französische Experten.

Dabei soll geprüft werden, unter welchen Rahmenbedingungen eine Unterstützung der OSZE-Mission möglich wäre. Die Soldaten sollen klären, wie viel Personal für den Einsatz der Drohnen vor Ort benötigt wird, welche Schutzmaßnahmen und welche Unterstützung etwa mit Sanitätern oder Logistik notwendig ist. Geführt wird die Erkundung von der OSZE, sie finde außerhalb der umkämpften Gebiete statt, heißt es von Seiten des Verteidigungsministeriums. Entschieden werde über das Aufklärungssystem Luna. Die unbewaffnete Drohne ist 2,36 Meter lang und 40 Kilogramm schwer, sie kann Videos, Infrarotfilme und Standbilder in Echtzeit an eine Bodenstation liefern. Das OSZE-Mandat basiert auf einer Vereinbarung vom 5. September, die auch Russland mitträgt.

Russland bereit zu Gesprächen über Gaslieferungen

Der russische Präsident Wladimir Putin hat in einem Telefonat mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso neue Gespräche über das Thema Gas und Energie mit der Ukraine unter Vermittlung der EU zugesagt. Putin habe solchen Dreiergespräche auf Ministerebene zugestimmt, teilte die EU-Kommission mit. Russland werde schon bald ein Datum dafür vorschlagen. Zuvor hatte Moskau die für kommenden Samstag geplanten Verhandlungen in Berlin mit dem Hinweis auf Terminprobleme abgesagt.

Gleichzeitig hat Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu angekündigt, die Truppen auf der Halbinsel Krim aufstocken zu wollen. Zu Moskaus Prioritäten gehöre die Entsendung einer "vollständigen und autarken Militäreinheit in der Krim-Zone", sagte Schoigu der russischen Nachrichtenagentur Itar-Tass. Dies sei angesichts der Eskalation der Krise und dem Aufmarsch von "ausländischen Soldaten" an der Grenze von besonderer Dringlichkeit. Russland hatte die Krim trotz des Widerstandes der Regierung in Kiew in die Russische Föderation eingegliedert. Am Wochenende waren dort Kommunalwahlen abgehalten worden. Dabei hat die Kremlpartei "Einiges Russland" erwartungsgemäß eine klaren Sieg davongetragen: Nach Auszählung der Hälfte der Stimmen lag die Partei von Wladimir Putin bei rund 71 Prozent.

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