Entscheidung in Den Haag:Richter sprechen Serbien vom Vorwurf des Völkermordes frei

  • Der Internationale Gerichtshof hat Serbien und Kroatien jeweils vom Vorwurf des Völkermords im Kroatienkrieg freigesprochen.
  • Kurz zuvor hatte das höchste UN-Gericht in Den Haag eine Klage Kroatiens gegen Serbien abgewiesen.
  • Es sei nicht erwiesen, dass Serbien die Absicht hatte, eine Bevölkerungsgruppe in Kroatien auszulöschen, urteilte Richter Tomka.
  • Anschließend sprach das Gericht auch Kroatien vom Vorwurf des Völkermordes frei und wies die Gegenklage Serbiens ab.

Serbien - als nunmehr alleiniger Rechtsnachfolger Jugoslawiens - hat sich nach Auffassung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag während des Krieges Anfang der neunziger Jahre nicht des Völkermordes an Kroaten schuldig gemacht. Das Urteil gab am Dienstag der Vorsitzende Richter des höchsten UN-Tribunals, Peter Tomka, bekannt.

"Kroatien ist es nicht gelungen, seine Anschuldigungen zu beweisen, wonach ein Völkermord verübt wurde", erklärte Tomka. Die von Serben begangenen Taten zu Beginn des Konflikts hätten nicht zum Ziel gehabt, die kroatische Volksgruppe zu "zerstören", urteilten die Haager Richter. Aber es sei das Ziel gewesen, diese "mit Gewalt zu vertreiben".

Anschließend sprach das Gericht auch Kroatien vom Vorwurf des Völkermordes frei und wies die Gegenklage Serbiens ab. Auch Kroatien habe in dem Krieg keinen Völkermord begangen. Mit dem Urteil ging das fast 16 Jahre dauernde Völkermord-Verfahren vor dem obersten UN-Gericht in Den Haag zu Ende.

Kroatien hatte Serbien wegen "ethnischer Säuberungen" verklagt

Während des Kroatienkrieges zwischen 1991 und 1995 bekämpften sich kroatische Streitkräfte auf der einen und die Jugoslawische Volksarmee sowie die von Belgrad unterstützten serbischen Verbände in Kroatien auf der anderen Seite.

Serbien lancierte Gegenklage

Kroatien hatte 1999 deshalb Klage eingereicht und Entschädigung verlangt. Dabei ging es er vor allem um die Zerstörung der Stadt Vukovar und den sogenannten ethnischen Säuberungen zu Beginn des blutigen Konflikts. 13 5000 Kroaten wurden getötet, Hunderttausende vertrieben.

Serbiens Regierung lancierte jedoch 2010 eine Gegenklage, in der sie Kroatien vorwarf, bei einer Gegenoffensive 200 000 ethnische Serben vertrieben zu haben. Diese waren bei der Rückeroberung der Republik Serbische Krajina vor dem kroatischen Militär geflohen und in Einzelfällen wohl auch aktiv vertrieben worden. Sie gehörten demnach der serbischen Minderheit in Kroatien an, die vor dem Krieg etwa 600 000 Personen umfasste.

IGH hatte Serbien bereits 2007 freigesprochen

Kroatiens Regierungschef Zoran Milanović zeigt sich von der Entscheidung enttäuscht. "Wir sind nicht zufrieden, aber akzeptieren das Urteil. Von unseren Forderungen an Serbien, dass es den Verbleib der Vermissten aufklärt und (die geraubten) staatlichen Güter zurückgibt, werden wir aber nicht abrücken." Serbiens Justizminister Nikola Selaković erklärte: "Das Gericht hat unsere Erwartungen erfüllt." Der IGH hatte bereits 2007 Serbien als Staat vom Vorwurf des Völkermordes in Srebrenica freigesprochen.

Das UN-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien hat den Massenmord von Srebrenica 1995 in Bosnien als Völkermord anerkannt. Dafür müssen sich noch der ehemalige Serbenführer Radovan Karadžić und der serbische Ex-General Ratko Mladić verantworten. Zu Verbrechen in den Jugoslawienkriegen laufen derzeit noch insgesamt acht Prozesse vor dem Tribunal in Den Haag.

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