Entscheidung im Bundestag:Comeback der Kronzeugen

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Nach heftiger Debatte hat der Bundestag entschieden: Die 1999 ausgelaufene Kronzeugenregelung wird wieder eingeführt. Auch bei der Terrorbekämpfung fiel eine umstrittene Entscheidung.

Die 1999 ausgelaufene Kronzeugenregelung kommt wieder. Der Bundestag beschloss mit den Stimmen der großen Koalition die Wiedereinführung. Die Opposition hatte sich dagegen ausgesprochen. Dem umstrittenen Gesetz gingen lange Beratungen voraus. Das Bundeskabinett hatte den Gesetzentwurf bereits im Mai 2007 beschlossen.

"Neue Organisationsformen des Terrorismus": Justizministerin Zypries verteidigt ihr Gesetz. (Foto: Foto: dpa)

Die neue Kronzeugenregelung unterscheidet sich in einigen Punkten von dem früheren Verfahren. Der Strafrabatt ist beschränkt. Ein Kronzeuge, dem eine lebenslange Freiheitsstrafe droht, kann sein Strafmaß allenfalls auf zehn Jahre verringern. Anders als früher kann die neue "allgemeine Strafzumessungsregelung" unabhängig vom Delikt des Kronzeugen auf alle schweren Straftaten angewandt werden. Das heißt, ein wegen eines Drogendelikts Angeklagter kann auch gegen einen Terrorverdächtigen als Kronzeuge auftreten.

Absprachen in Strafverfahren sind künftig per Gesetz erlaubt. Der Bundestag billigte einen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) vorgelegten Entwurf. Damit soll eine jahrzehntelange Praxis in den Gerichtssälen auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden. Absprachen sind nur in öffentlichen Hauptverhandlungen zulässig und unterliegen der rechtlichen Überprüfung. Ein Verzicht auf Rechtsmittel darf nicht vereinbart werden. Ein auf Absprachen beruhendes Urteil kann somit wie jedes andere von der nächsten Instanz überprüft werden. Die Entschädigung für Justizopfer wurde von elf auf 25 Euro pro Tag erhöht.

Die im Paket von der großen Koalition zur Schlussabstimmung vorgelegten Strafgesetze sind bei der Opposition auf heftige Kritik gestoßen. FDP, Linke und Grüne lehnten in der emotionalen Debatte eine neue Kronzeugenregelung ebenso ab wie die neuen Paragraphen, nach denen die Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Taten bestraft werden kann. Absprachen im Strafprozess wollen FDP und Grüne hingegen mittragen.

Eine weitere Entscheidung fiel im Bereich der Terrorbekämpfung: Terroristen und Sympathisanten künftig können schon vor Begehung einer Tat bestraft werden. Der Aufenthalt in Terrorcamps und die Anleitung zu Gewalttaten im Internet kann ihnen zehn Jahren Strafe einbringen.

Mit den Anti-Terror-Gesetzen reagiere die Bundesregierung auf "neue Organisationsformen des Terrorismus", erklärte Justizministerin Brigitte Zypries. Künftig könne beispielsweise bestraft werden, wer sich eine Anleitung zum Bombenbau im Internet besorge. Die SPD-Politikerin betonte aber auch, dass es sich um die Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Straftaten handeln müsse, damit das Gesetz greife.

Linken-Abgeordnete spricht von "Gesinnungsjustiz"

Der CDU-Politiker Siegfried Kauder sprach von einer Gesetzgebung mit Augenmaß, die die Sicherheitsstruktur Deutschlands verbessere. Mit den beschlossenen Anti-Terror-Gesetzen betritt die Bundesregierung juristisches Neuland, weil es künftig auf die tatsächliche Ausführung von Taten nicht mehr ankommt.

Die sogenannte Vorfeldstrafbarkeit stieß bei der Opposition auf heftige Kritik. Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke sprach von einer "Gesinnungsjustiz", die der Schnüffelei Vorschub leiste. Ob ein Wecker gekauft worden sei, um sich wecken zu lassen oder den Zeitzünder einer Bombe zu basteln, entscheide sich demnächst an der politischen Gesinnung, warf sie der Regierung vor: "Die vorliegenden Gesetzentwürfe taugen nicht zu mehr Sicherheit."

Der Grünen-Politiker Jerzy Montag sagte, die neuen Anti-Terror-Gesetze seien Ausdruck einer "Sicherheitsphobie". Es bestehe die Gefahr, dass Errungenschaften aufs Spiel gesetzt würden, die die Bürger bisher vor der Willkür des Staates geschützt hätten. "In Deutschland soll kein Mensch für seine Absichten bestraft werden", forderte Montag. Strafrecht sei kein Gefahrenbekämpfungsrecht. Der Bundesrat muss den Gesetzen teilweise noch zustimmen.

© dpa/Reuters/AP/ihe/bavo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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