1799 Dollar für acht getötete Schafe
20 000 Dollar für ein abgebranntes Haus; 14 756 Dollar für einen zerstörten Lastwagen; 1799 Dollar für acht getötete Schafe. Aber was ist den USA im Afghanistan-Krieg ein Menschenleben wert? Im Schnitt etwa 3426 Dollar. So viel zahlten die Vereinigten Staaten den Hinterbliebenen, deren Angehörige im Gefecht versehentlich getötet worden. Das geht aus Recherchen der Website The Intercept hervor, die die Daten unter dem sogenannten "Freedom of Information Act" von der US-Regierung verlangt hat.
The Intercept ist nicht die erste Nachrichtenseite, die über die Praxis der Kompensationszahlungen berichtet. Auch die New York Times, Slate und The Nation hatten sich dem Thema zuvor angenommen.
Obwohl die von The Intercept veröffentlichten Datenbank-Angaben den Autoren zufolge unvollständig sind, belegen sie, wie willkürlich die USA Opfer und Hinterbliebene zwischen 2002 und 2013 entschädigt hat.
So zahlte die US-Regierung für einen Stapel zerstörter Spiegel auf einer Schubkarre 4057 Dollar. Für ein Kind, das bei einer US-Operation starb, erhielten die Angehörigen dagegen nur 2414 Dollar. Die Familie eines Jungen, über dessen Beine ein Panzerfahrzeug gewalzt war, bekam wiederum 11 000 Dollar zugesprochen. (Eine detaillierte Liste über Entschädigungszahlungen finden Sie hier.)
Kaum nachvollziehbare Vorgänge
"Kompensationszahlungen für Sach- oder Eigentumsschäden stehen oft in keinem Verhältnis zu dem Verlust von Menschenleben", sagt Jonathan Tracy, ein ehemaliger US-Rechtsoffizier, der Website. Tracy hat im Irak Tausende Schadensfälle bearbeitet.
Wie hoch die Entschädigung für Zivilisten ausfällt, hänge neben den Todesumständen auch davon ab, welches Verdienstpotential ein Opfer hatte, sagte ein Sachverständiger des US-Militärs der Website: "Für den Tod eines 28-jährigen Arztes zahlen wir mehr als für den Tod eines vierjährigen Kindes. Auch ein junges Mädchen ist in Afghanistan weniger wert als ein kleiner Junge."
Wie The Intercept weiter berichtet, werden Zivilisten teilweise nur mit einer sogenannten "Kondolenzzahlung" abgespeist - die eine symbolische Geste darstellen soll und in der Regel bei 5000 Dollar gedeckelt ist.
Für die US-Armee habe sich diese Sonderform der Entschädigung jedoch als nützlich erwiesen, weil sie im Irak- und Afghanistan-Krieg bei der Aufstandsbekämpfung geholfen hat. Das "Commander's Emergency Response Program" des US-Verteidigungsministeriums spricht in diesem Zusammenhang von einer "schnellen und effektiven Methode, positiv Einfluss auf die Zivilbevölkerung zu nehmen."
The Intercept zufolge hat das US-Militär zwischen 2011 und 2013 insgesamt 953 Kondolzenzzahlungen im Wert von 2,7 Millionen Dollar veranlasst - dabei wurden allein 1,8 Millionen Dollar für die Entschädigung von Todesfällen aufgewendet.
Unvollständige Daten, rätselhafte Schilderungen
Auf welcher Grundlage Entschädigungs- und Kondolenzzahlungen entrichtet wurden, ist kaum nachvollziehbar. Die Angaben zu Kampfhandlungen, getöteten Personen oder Sachschäden sind in der dafür vorgesehenen Datenbank meist unvollständig vermerkt. Oft fehlen Wörter, manchmal wurden Felder falsch ausgefüllt oder Ereignisse so verwirrend geschildert, dass sie unmöglich zu rekonstruieren sind. "Das ist kein Wunder", sagt Rechtsoffizier Tracy, "ein Eintrag kostet den Verantwortlichen in der Regel nicht mehr als 30 Sekunden."
Ein Gesetzentwurf aus dem vergangenen Jahr sollte das Pentagon eigentlich dazu verpflichten, bei Kondolenzzahlungen zukünftig einem genauen Leitfaden zu folgen. Bisher habe das Verteidigungsministerium diese Regelung aber noch nicht implementiert, sagte Intercept ein Pentagon-Verantwortlicher.
Bundesregierung zahlte 5000 Dollar
Auch Deutschland entschädigte Angehörige für die von der Bundeswehr verursachten Kriegsschäden unterschiedlich - wenn auch im Vergleich zu den USA recht großzügig.
So zahlte die Bundesregierung für den Tod eines Zivilisten im Schnitt etwa 5000 Dollar, für zerstörte Fahrzeuge nahm sie teilweise den doppelten Betrag in die Hand. Das belegt eine Auswertung von Akten, deren Ergebnisse auf Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Jan van Aken Anfang des Jahres öffentlich wurden. Den Unterlagen des Verteidigungsministeriums zufolge hat Deutschland in Afghanistan etwa 1,1 Millionen Dollar für Entschädigungen ausgegeben.
Das britische Verteidigungsministerium gab Medienberichten zufolge Anfang Januar bekannt, dass es für 186 getötete Zivilisten in Afghanistan durchschnittlich 3000 britische Pfund Entschädigung bereitgestellt hatte - umgerechnet etwa 4500 Dollar.
Auch wenn die internationale Koalition nicht so recht weiß, wie es mit Afghanistan nach dem Abzug der Nato Ende vergangenen Jahres weitergehen soll: Was ein Menschenleben durchschnittlich wert ist - darüber scheinen sich die Bündnispartner in etwa einig zu sein.