Entschädigung für misshandelte Heimkinder:Der vage Preis der Sühne

Sie wurden geschlagen und missbraucht, jetzt sollen sie entschädigt werden: Bund, Länder und Kirchen stellen 120 Millionen Euro für einstige Heimkinder zur Verfügung. Das ist das Ergebnis eines Runden Tischs unter der Leitung von Antje Vollmer. Betroffenen reicht das nicht.

Was kostet es, erlittenes Leid zu sühnen? Zwei Jahre stritt der Runde Tisch Heimerziehung um eine Antwort auf diese Frage. An diesem Montag stellte die Leiterin, die frühere Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, das Ergebnis des Abschlussberichts vor. Demnach soll ein Hilfsfonds in Höhe von 120 Millionen Euro für ehemalige Heimkinder eingerichtet werden, die in Erziehungsheimen der Bundesrepublik zwischen den Jahren 1949 und 1975 misshandelt wurden.

Abschlussbericht des Runden Tisches fuer Heimerziehung

Als Vorsitzende des Runden Tisches für Heimerziehung stellte Antje Vollmer in Berlin den Abschlussbericht vor. Das Ergebnis: Einstige Heimkinder sollen Entschädigungen in Höhe von insgesamt 120 Millionen Euro erhalten.

(Foto: dapd)

20 Millionen Euro sollen in einen Rentenfonds für Betroffene fließen, die in den Heimen zur Zwangsarbeit wie etwa in Wäschereien oder zum Torfstechen herangezogen wurden. Ihnen sind dadurch Rentenansprüche entgangen. 100 Millionen Euro sollen als Ausgleichszahlungen für Folgeschäden zur Verfügung stehen: für Therapien und Traumabehandlungen ebenso wie für Mietzuschüsse oder Altershilfen. Pauschale Entschädigungen soll es nicht geben. Dies wäre "nicht gerechtfertigt", sagte Vollmer.

Bund, Länder und Kirchen sollen den Fonds gemeinsam finanzieren - jeweils zu einem Drittel. Die Kirchen sagten ihre Zahlungsbereitschaft zu, von Bund und Ländern kam ein Ja unter Vorbehalt. Die Parlamente müssten noch über die Zahlung entscheiden, hieß es.

In seinem Abschlussbericht plädiert der Runde Tisch außerdem für ein Netz von regionalen Anlaufstellen. Betroffene könnten hier ihre Lage schildern und Hilfe bekommen. Vollmer sagte, das Leid aller Opfer werde anerkannt. In den Kinderheimen sei vielfach Unrecht geschehen und es habe klare "Regel- und Rechtsverstöße" gegeben.

Opfervertreter kritisierten, ihre Forderungen seien nicht vollständig erfüllt worden. Die Betroffenen hatten eine monatliche Zahlung von 300 Euro für ehemalige Heimkinder gefordert oder wahlweise eine Einmalzahlung von 54.000 Euro.

"Wir haben nicht alles, aber wir haben viel erreicht", sagte Hans-Siegfried Wiegand, einer der Betroffenen, der sich am Runden Tisch beteiligt hatte. Er mahnte, der Fonds dürfe nicht gedeckelt werden. Alle Antragsteller müssten Hilfen bekommen. Wiegand rief deshalb zu allgemeinen Spenden für den Finanztopf auf.

Scharfe Kritik an dem Runden Tisch äußerte der Verein ehemaliger Heimkinder. Die Zustimmung der Opfervertreter zum gemeinsamen Abschlussbericht sei "erzwungen und erpresst" worden, erklärte der Verein an diesem Montag in Berlin. Die Opfervertreter seien in dem Gremium vor die Wahl gestellt worden, entweder gebe es die in Aussicht gestellte Minimalentschädigung oder gar nichts.

Für eine schnelle Entschädigung der Heimkinder setzte sich derweil der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, ein. Bei der Umsetzung dürfe es keine unnötigen Verzögerungen geben, sagte er. Zollitsch bedauerte, dass in katholischen Kinderheimen Menschen Unrecht erfahren hätten: "Ich bitte die Betroffenen von Herzen für diese traurigen Ereignisse um Verzeihung."

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