Entführungen Deutscher im Ausland:Verschleierte Motive

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Wenn Deutsche im Ausland als Geiseln genommen werden, enden die Entführungen manchmal tödlich. Die heikelste Frage ist, ob es den Entführern um politische Forderungen oder schlicht um Lösegeld geht. Eine Chronik.

Christoph Schäfer

Werden Deutsche im Ausland verschleppt, dauert es meist nicht lange, bis die Kidnapper ihre Forderungen stellen. Anfangs handelt es sich dabei meist um harte politische Ultimaten. Später geben sich die Entführer allerdings häufig mit Lösegeld zufrieden. Zehn Beispiele aus den vergangenen Jahren.

Juli 2007 - Zwei Deutsche werden südwestlich der Hauptstadt Kabul aus einem Auto verschleppt. Einer der beiden, Rüdiger B., wird wenige Tage später im Distrikt Wardak tot aufgefunden.

Mithilfe einer Obduktion will die Bundesregierung klären lassen, ob der an Diabetes leidende Mann aus Mecklenburg-Vorpommern auf Grund der Strapazen starb, oder ob seine Entführer ihn erschossen haben. Das Schicksal der anderen Geisel ist ungewiss, allerdings gibt es Hinweise darauf, dass sie am Leben ist.

Die Motive der Entführer liegen derweil noch im Dunkeln: Am Samstag hatte zunächst ein selbst erklärter Talibansprecher erklärt, beide Deutschen seien erschossen worden, weil die Bundesregierung nicht wie verlangt den Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan bekannt gegeben habe.

Gegen eine politisch motivierte Entführung spricht hingegen, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntagabend in der ARD versicherte, man werde alles daran setzen, das Leben der zweiten Geisel zu retten und den Mann freizubekommen: "Wir tun alles, was verantwortbar ist", sagte sie zur Frage nach einer Lösegeldzahlung. Einen Rückzug der Bundeswehr lehnte sie mit dem Hinweis ab, die Bundesregierung sei nicht erpressbar.

Juli 2007 - Ein in der südwestafghanischen Provinz Farah verschleppter deutscher Geschäftsmann kommt nach einwöchiger Geiselhaft frei. Die Umstände der Verschleppung und der Freilassung sind ungeklärt. Nach offiziellen afghanischen Angaben hatten die Geiselnehmer zwar 29.000 Euro Lösegeld gefordert, die Deutschen seien jedoch "durch Anstrengungen der Polizei" befreit worden.

Februar 2007 - Die 61-jährige Hannelore Krause und ihr 20- jähriger Sohn werden aus ihrer Wohnung in Bagdad verschleppt. Vier Wochen später fordert eine Islamistengruppe den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und droht mit der Ermordung der Geiseln. Die Bundesregierung gibt am 11. Juli die Freilassung der Mutter bekannt. Ihr Sohn ist weiter in der Hand der Kidnapper.

Auch in diesem Fall liegen die Hintergründe der Entführung im Dunkeln. Bislang drang lediglich an die Öffentlichkeit, dass die deutschen Ermittler trotz der politischen Forderungen eher an einen monetären Hintergrund glauben.

Januar 2006 - In der Industriestadt Baidschi nördlich von Bagdad verschleppen Unbekannte die beiden Deutschen Thomas Nitzschke und René Bräunlich. Die Entführer stellen anfangs politische Forderungen, etwa die Freilassung muslimischer Frauen aus irakischen Gefängnissen. Erst nach drei Monaten stellt sich heraus, dass es die Täter doch nur auf Lösegeld abgesehen hatten. Die Techniker einer Leipziger Anlagenfirma kommen Anfang Mai frei.

Dezember 2005 - Der frühere Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Jürgen Chrobog, und seine Familie werden von Angehörigen eines jemenitischen Stammes entführt. Die Kidnapper fordern die Freilassung von Stammesmitgliedern aus dem Gefängnis. Drei Tage später wird die Familie freigelassen. Die Umstände sind völlig unklar.

November 2005 - Die deutsche Archäologin Susanne Osthoff und ihr irakischer Fahrer werden in der Provinz Ninive von Unbekannten verschleppt. Auf einem der ARD zugespielten Video drohen die Täter, Osthoff zu töten, wenn Deutschland nicht die Zusammenarbeit mit der irakischen Regierung einstelle. Nach 23 Tagen Geiselhaft wird Osthoff freigelassen. Wie sich herausstellt, hatte ein bekannter Scheich Frau Osthoff entführen lassen. Es ging um Lösegeld, nicht um Politik.

Februar 2003 - 32 Touristen, darunter 16 Deutsche, geraten in Algerien in die Gewalt einer islamistischen Terrorgruppe. In Etappen kommen alle Geiseln bis August frei. Dabei soll Lösegeld in Millionenhöhe gezahlt worden sein. Eine 46 Jahre alte Frau aus Augsburg überlebt die monatelangen Strapazen jedoch nicht.

Juli 2000 - Rolf Harfuth, ein 48-jähriger Rucksack-Tourist aus Hessen, wird in der indischen Gebirgsregion Ladakh verschleppt und erschossen - offenbar, weil er Zeuge eines Mordes war.

April 2000 - Abu-Sayyaf-Terroristen verschleppen die Göttinger Lehrerfamilie Wallert und andere Touristen an der malaysischen Nordostküste und bringen sie auf die Philippinen-Insel Jolo. Als letzter kommt Sohn Marc im September frei. Die Geiselhaft wurde durch libysche Vermittlung beendet. Die Geiselnehmer sollen mehrere Millionen Euro Lösegeld erhalten haben.

Januar 1996 - Die 25 Jahre alte Touristin Nicola Fleuchaus und eine Schweizerin werden von Rebellen aus einem Urwaldhotel in Costa Rica entführt. Für die Freilassung nach 71 Tagen zahlen die Familien angeblich 200.000 Dollar.

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