Noch immer ist rätselhaft, wieso prorussische Milizen, die die ostukrainische Stadt Slawjansk kontrollieren, eine Gruppe von europäischen Militärbeobachtern festgenommen haben.
Unklar ist allerdings auch, wieso das OSZE-Team, das auf Bitte der ukrainischen Regierung unterwegs war, so nahe bei der Stadt war. Eigenen Angaben zufolge wurden sie etwa vier Kilometer vor der Stadt, auf dem Rückweg nach Donezk, festgenommen. Sie hätten nach Panzern oder Artillerie gesucht, aber keine entdeckt.
Bereits seit den Unruhen auf der Krim sind Beobachter der OSZE in der Ukraine unterwegs. Die Teams hatten und haben ganz unterschiedliche Aufgaben.
Das größte Projekt ist die "Special Monitoring Mission", für die 125 unbewaffnete Zivilisten aus verschiedenen Ländern die Situation seit Ende März beobachten. Gruppen von je zehn Beobachtern reisen in einzelne Regionen und Städte, insbesondere um mit den Menschen dort zu sprechen. Die OSZE-Experten versuchen zum Beispiel, Kontakt mit den Besetzern der Straßenblockaden und den Anführern der Separatisten aufzunehmen. Für diese Mission war die Zustimmung aller OSZE-Mitglieder - inklusive Russlands - notwendig.
Andere Missionen finden etwa zur Einschätzung der Menschenrechtslage statt oder der Förderung des Dialogs zwischen unterschiedlichen Teilen der ukrainischen Gesellschaft. Ein weiteres OSZE-Projekt sind die "Military Verification Visits", also Besuche verschiedener Orte, zur Einschätzung der militärischen Lage. Zu dieser Mission gehören die in der ostukrainischen Stadt Slawjansk festgehaltenen OSZE-Repräsentanten.
Die Mission ist aus mehreren Gründen etwas Besonderes. Bei den Fachleuten handelt es sich vor allem um unbewaffnete Militärangehörige aus verschiedenen OSZE-Staaten, nicht nur um Zivilisten. Und für das Projekt benötigt die Organisation keinen Beschluss aller Mitglieder. Russland muss vor dem Einsatz also nicht um Einverständnis gefragt werden.
Die Mission wird definiert über das "Wiener Dokument" der OSZE von 2011 über politische und militärische Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen (VSBM) in Europa. In diesem Papier haben die 57 Mitgliedstaaten vereinbart, sich gegenseitig über ihre militärischen Verhältnisse zu informieren. Allerdings können die Mitglieder - in diesem Fall die Ukraine - gemäß Kapitel III auch andere Teilnehmerstaaten ermutigen, an Besuchen in Gebieten auf ihrem Territorium teilzunehmen, in denen Grund zu "Besorgnissen über militärische Aktivitäten" besteht.
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Alles begann mit einer verweigerten Unterschrift. Seit der damalige ukrainische Präsident Janukowitsch das Assoziierungsabkommen mit der EU ablehnte, kommt die Ukraine nicht zur Ruhe. Im Osten der Ukraine stellen sich die Minenarbeiter gegen die Separatisten.
Bereits seit März hatte die ukrainische Regierung um die Entsendung von Repräsentanten zu solchen Besuchen auf der Krim und später im Süden und Osten des Landes gebeten. Bei dem Versuch, "militärische Sicherheitsaspekte auf dem Boden" zu überwachen, hatten die eingeladenen Militärexperten aus mehreren europäischen Ländern mehrmals vergeblich versucht, auf die Krim zu gelangen und waren unter anderem durch Warnschüsse daran gehindert worden.
"Eine andere Gruppe von acht unbewaffneten Militärexperten von verschiedenen OSZE-Mitgliedsstaaten befindet sich seit dem 19. März bis jetzt auf Einladung der Ukraine im Land", berichtet die OSZE auf ihrer Homepage. Diese Gruppe wurde in Slawjansk von prorussischen Separatisten entführt. Es handelt sich um drei deutsche Bundeswehrsoldaten, ihren deutschen Dolmetscher, sowie je einen Militärbeobachter aus Tschechien, Dänemark, Polen und Schweden. (Letzterer wurde inzwischen aus Gesundheitsgründen freigelassen). Begleitet wurde sie offenbar von vier oder fünf ebenfalls entführten ukrainischen Militärs - ihren Gastgebern, wie es bei der OSZE heißt.
Die Mission steht gegenwärtig unter der Leitung des Verifikationszentrums der Bundeswehr (ZVBw) in Geilenkirchen, sagte der Vizechef des OSZE-Krisenpräventionszentrums, Claus Neukirch, im ORF. Eine der Aufgaben des ZVBw ist "die Vertrauensbildung auf der Grundlage des Wiener Dokuments von 2011", wie es auf der Homepage des Zentrums heißt. Die Soldaten haben den Auftrag, Informationen der Vertragspartner auszuwerten und auch im Ausland zu überprüfen.
Deutschland ist seit März die vierte Nation, die die Führung der "Military Verification Visits" übernommen hat, heißt es im deutschen Verteidigungsministerium. Aus diesem Grund wird auch nicht die OSZE mit den Separatisten über die Freilassung verhandeln, sondern die deutsche Regierung.
Wie Oberst Alex Schneider, der Leiter der Mission, in einem Interview mit BR2 noch vor seiner Entführung erklärt hatte, sei es der Auftrag der OSZE-Mitarbeiter, sich ein Bild davon zu machen, in welchem Zustand "bewaffnete Kräfte - und hier schauen wir auf reguläre, auf staatsbewaffnete Kräfte" seien und was sie leisten könnten. Russische Soldaten hätten sie nicht gesehen. Aber es sei auch nicht ihr Auftrag, die Separatisten zu beobachten. "Wir konzentrieren uns auf die Sicherheitskräfte des Landes Ukraine", sagte Schneider.
Wieso die Beobachter in eine Konfrontation mit der Miliz des selbsternannten Bürgermeisters Wjatscheslaw Ponomarjow kamen ist noch unklar. Dieser erklärte, seine Gefangenen hätten Zivil getragen und angegeben, sie wollten Sehenswürdigkeiten besichtigen. "Was sie hier wollten, kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen", zitiert das Wall Street Journal aus einem Interview, das Igor Strelkov, Kommandeur der Miliz in Slawjansk, der russischen Zeitung Komsomolskaya Pravda gab. Ponomarjow bezeichnete die Beobachter als Nato-Spione und Kriegsgefangene.
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Es sei merkwürdig, weshalb das ukrainische Militär denken könnte, es wäre in Ordnung, Offiziere in die von einer bewaffneten prorussischen Miliz kontrollierte Stadt zu schicken. "Vielleicht wollten sie unter dem Deckmantel des Diplomatenstatus' Informationen über die Positionen der Milizen für den ukrainischen Geheimdienst sammeln - in der Hoffnung, dass Ausländer nicht festgenommen würden", sagte Strelkov.
Aus welchem Grund auch immer die Militärbeobachter der OSZE so nahe an der Stadt Slawjansk waren - als vertrauensbildende Maßnahme betrachten zumindest die Separatisten ihre Arbeit dort nicht.
Update: Experten wie Dirk-Oliver Heckmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik bestätigen, dass der Aufenthalt der OSZE-Militärbeobachter rechtlich in Ordnung war. Der ehemalige Leiter des militärischen Teils der ständigen Vertretung Deutschlands bei der OSZE in Wien und frühere OSZE-Beobachter erklärte im Deutschlandfunk, dass die festgehaltenen Beobachter Diplomatenstatus besäßen und sich im Osten der Ukraine aufhalten durften.
Zweifel hat der Oberst a.D. allerdings daran, dass ihr Vorgehen und das Verhalten der Ukraine als ihr Gastland "klug" war. Die Regierung in Kiew war nicht in der Lage, die OSZE-Militärbeobachter zu schützen. Auch sei es besser, "mit offenem Visier" aufzutreten, indem man in Uniform auftritt und dafür sorgt, dass man "mit vollem Wissen der Rebellen agieren kann".