Entführte Journalisten wieder in Frankreich:Raffarin: Kein Lösegeld gezahlt

Aufatmen in Frankreich: Die vor vier Monaten im Irak entführten Journalisten Christian Chesnot und Georges Malbrunot sind sicher in ihre Heimat zurückgekehrt. Offenbar hatte der US-Großangriff auf die Rebellenhochburg Falludscha großen Anteil an ihrer Freilassung.

Ihr Flugzeug landete um 18.26 Uhr auf dem Luftwaffenstützpunkt Villacoublay in der Nähe von Paris, wo die Ex-Geiseln von ihren Familien in Empfang genommen wurden. Auch Staatspräsident Jacques Chirac, Regierungschef Jean-Pierre Raffarin und Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie begrüßten die beiden am Dienstag freigelassenen Reporter.

Vor den zahlreichen am Flughafen wartenden Journalisten sagte Malbrunot: "Es geht uns gut. Wir haben eine harte Prüfung durchgemacht, manchmal war es sehr hart, aber wir haben nicht die Hoffnung verloren." Sein Kollege Chesnot fügte hinzu, sie seien nicht misshandelt worden. Der 38-Jährige stotterte zuweilen beim Sprechen und schien Gewicht verloren zu haben.

Vier verschiedene Verstecke

Malbrunot berichtete, nach ihrer Entführung am 20. August seien er, Chesnot und ihr syrischer Fahrer Mohammed al Dschundi zunächst in einem Vorort von Bagdad festgehalten worden. Die Geiselnehmer hätten aber vier Mal ihr Versteck gewechselt. Für diese Transporte per Lastwagen wurden die Geiseln gefesselt und mit Laken bedeckt.

"Sie haben uns gesagt, sie müssten uns aus Sicherheitsgründen verlegen", sagte Malbrunot. Die Freilassung sei für ihn vollkommen unerwartet nach einem weiteren Transport erfolgt. "Als ich aus dem Kofferraum eines Mercedes' stieg und die französische Flagge sah, sagte ich mir: 'Endlich ist es vorbei'", erzählte der 41-Jährige.

Nach Angaben von Ministerpräsident Raffarin wurde die Freilassung ausschließlich durch Verhandlungen erzielt, ein Lösegeld sei nicht gezahlt worden. Laut einem Bericht der Tageszeitung "Le Monde" trug auch der Großangriff der US-Truppen auf die irakische Rebellenhochburg Falludscha, wo die beiden Franzosen "fast bis zum Ende" festgehalten worden seien, zur Beendigung des Geiseldramas bei.

Den Unterschlupf verloren

Durch den Angriff hätten die Entführer schlicht und einfach ihren Unterschlupf verloren, zitierte "Le Monde" aus französischen Geheimdienstkreisen. Der mit den beiden Journalisten entführte Syrer Al Dschundi war bereits im November von US-Soldaten in Falludscha gefunden worden.

Laut einer vom arabischen Sender Al Dschasira veröffentlichten eine Erklärung der Entführergruppe Islamische Armee im Irak wurden die beiden Franzosen freigelassen, nachdem sich gezeigt habe, dass sie keine Spione der USA seien. Auch die Appelle zahlreicher islamischer Gruppen sowie die US-kritische Haltung der französischen Regierung hätten eine Rolle gespielt.

Die Geiselnehmer hatten ursprünglich die Aufhebung des Kopftuchverbots an französischen Schulen gefordert; das neue Gesetz trat im September aber wie geplant in Kraft. Der sozialistische Abgeordnete Jean-Marc Ayrault sagte: "Wir haben uns nicht erpressen lassen. Ungeachtet politischer, religiöser oder philosophischer Standpunkte sind alle zusammengerückt."

Tatsächlich nahm ganz Frankreich großen Anteil an dem Geiseldrama. Mehrere Zeitungen druckten tägliche Berichte. Prominente wie die Schauspielerinnen Catherine Deneuve und Juliette Binoche hielten jeden Tag eine Radioansprache, damit die Geiseln nicht in Vergessenheit gerieten. Die Organisation Reporter ohne Grenzen hängte zwei riesige Plakate mit den Porträts von Chesnot und Malbrunot am Pariser Rathaus auf. Diese wurden am Mittwoch abgenommen.

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