Energiewende:Kohle für die Konzerne

Kabinett billigt Milliarden Euro Entschädigung für Betreiberfirmen, die Kraftwerke und Tagebaue stilllegen. Umweltschützer bleiben unzufrieden.

Von Michael Bauchmüller

Energiewende: Sterbender Industriezweig: Braunkohle-Abbau in Garzweiler.

Sterbender Industriezweig: Braunkohle-Abbau in Garzweiler.

(Foto: Ina Fassbender/AFP)

Der Abschied von der Kohle rückt näher. Anderthalb Jahre, nachdem eine Kommission einen Pfad für das Ende von Braun- und Steinkohlekraftwerken vorgelegt hat, steht nun auch ein entsprechender Vertrag mit den Braunkohlekonzernen. Das Bundeskabinett billigte das Vertragswerk am Mittwoch, nun muss noch der Bundestag zustimmen.

Der Vertrag war die letzte große Leerstelle rund um den Ausstieg aus der Kohle. Im wesentlichen regelt er, was die beiden großen Betreiber-Firmen RWE und Leag dafür bekommen sollen, dass sie schrittweise ihre Kraftwerke und die zugehörigen Tagebaue stilllegen. So soll RWE über 15 Jahre verteilt insgesamt 2,6 Milliarden Euro erhalten. Der umkämpfte Hambacher Forst soll erhalten bleiben; dies hatte auch die Kohle-Kommission gefordert. Der Leag-Konzern, der zu einer tschechischen Holding gehört, erhält 1,75 Milliarden Euro. Seine Kraftwerke liegen überwiegend im Lausitzer Revier, das besonders stark von dem Strukturwandel getroffen ist.

Damit könnte der Bundestag das Kohlepaket in der kommenden Woche verabschieden. Neben der Einigung mit den Braunkohlekonzernen gehört dazu auch das so genannte Strukturstärkungsgesetz, das die Folgen des Ausstiegs abfedern soll. Insgesamt 14 Milliarden Euro stehen dafür zur Verfügung, hinzu können 26 Milliarden Euro für den Ausbau wissenschaftlicher Einrichtungen oder der Verkehrsinfrastruktur kommen. Und schließlich soll ein separates Gesetz das schrittweise Ende der Steinkohle-Kraftwerke besiegeln.

Spätestens 2038 soll Schluss sein, aber auch nicht vorher - ein Knebelvertrag, sagen die Kritiker

Anders als bei der Braunkohle soll der Ausstieg hier aber nicht über einen Vertrag, sondern per Ausschreibung geregelt werden. Betreiber, die ihre Kraftwerke abschalten wollen, können hier um Stilllegungsprämien konkurrieren - und das nach dem jüngsten Entwurf ein Jahr länger als bisher geplant, bis 2027. Wer bis dahin nicht per Ausschreibung abgeschaltet hat, geht ohne Entschädigung aus. Formulierungshilfen für beide Gesetze - Strukturhilfen und Steinkohleausstieg - beschloss das Kabinett ebenfalls.

Abgeschlossen seien die Verhandlungen aber noch nicht, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch am Mittwoch. Man nehme nun die Verträge zur Braunkohle unter die Lupe. "Dann werden wir sehen, ob uns ein zustimmungsfähiges Gesamttableau gelingt."

Zumal die Kritik an dem Ausstieg nicht abreißt. Sie entzündet sich nun vor allem daran, dass zwar die Betreiber dem Bund nun zusichern, ihre Kraftwerke bis spätestens 2038, möglicherweise auch bis 2035 abzuschalten; sie werden auch gegen den Ausstieg nicht klagen. Umgekehrt aber sichert der Bund den Betreibern auch zu, den Ausstieg nicht vorher zu vollziehen. "Die Verträge knebeln künftige Regierungen", sagt Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid. Sie verliehen der Braunkohle gewissermaßen Bestandsschutz bis mindestens 2035.

Die Bundesregierung ist zufrieden mit ihrem Ausstiegswerk. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach von einem "wichtigen Schritt" auf dem Weg zu mehr Klimaschutz, Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) von einem "Meilenstein" bei der Gestaltung des Strukturwandels. Die Auseinandersetzung um die Kohle allerdings ist damit noch nicht beendet. Für Freitag hat die Jugendbewegung Fridays for future erneute Proteste angekündigt. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müsse schon 2030 Schluss sein mit dem Kohlestrom, verlangt die Bewegung. Und im rheinischen Revier soll eine Menschenkette eine Reihe von Dörfern verbinden: Sie sollen trotz des Ausstiegs noch für die Braunkohle verschwinden.

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