Koalitionsbeschluss:"Wir werden da durchkommen"

Koalitionsbeschluss: Gemeinsame Pressekonferenz: Der Grünen-Vorsitzender Omid Nouripour (von links), Kanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und SPD-Vorsitzende Saskia Esken stellen das 65-Milliarden-Entlastungspaket für die Bürgerinnen und Bürger vor.

Gemeinsame Pressekonferenz: Der Grünen-Vorsitzender Omid Nouripour (von links), Kanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und SPD-Vorsitzende Saskia Esken stellen das 65-Milliarden-Entlastungspaket für die Bürgerinnen und Bürger vor.

(Foto: IMAGO/Christian Spicker)

Entlastung für Rentner und Studierende, Kindergelderhöhung, Hilfen für Unternehmen: Die Bundesregierung will die Bürger mit 65 Milliarden Euro entlasten. Dennoch bereitet Kanzler Scholz die Deutschen auf harte Monate vor.

Von Markus Balser und Constanze von Bullion, Berlin

Dass es keine leichte Einigung werden würde, war Kanzler Olaf Scholz (SPD) schon klar. "Wir arbeiten am großen Bauwerk, und die Architektur dieses Bauwerks hängt eben von allen Einzelteilen ab", sagte er noch Mitte der Woche bei der Kabinettsklausur in Meseberg. Wie zäh das Ringen um ein Entlastungspaket beim Koalitionsgipfel aber an diesem Wochenende werden würde, unterschätzte der Kanzler offenbar massiv. Man werde es ohne Nachtsitzung schaffen, sagte er voraus.

Doch dann traten der Kanzler und die Parteichefs von SPD, Grünen und FDP am Sonntagvormittag erst nach 22-stündigen Verhandlungen ziemlich übermüdet, angespannt und mit kummervollen Gesichtern vor die Kameras. Es war aber nicht nur der Mangel an Schlaf, der auf die Stimmung drückte. "Unser Land steht vor einer schweren Zeit", sagte Scholz gleich zum Start des Auftritts im Kanzleramt. "Aber wir werden da durchkommen."

Ein Paket, das alle Haushalte entlasten soll

Mit den Spitzen der Regierungsparteien hatte Scholz ein Entlastungspaket ausgehandelt. Größe XL, so war das Paket angekündigt, das Bürgerinnen und Bürger in Zeiten von Inflation und Energiekrise Erleichterung verschaffen soll. Und die Zahlen sind tatsächlich ziemlich groß, die die Ampel-Koalition auflistet. Um 65 Milliarden Euro würden die Deutschen entlastet, kündigt Scholz an. Viele wüssten schließlich nicht mehr, wie sie die steigenden Energiekosten bezahlen sollten. Es soll alle Haushalte entlasten.

Vor allem bei den rasant steigenden Energiepreisen will die Koalition eingreifen. Um die Deutschen nicht zusätzlich zu belasten, verschiebt die Regierung etwa die ab Januar anstehende Erhöhung des CO2-Preises Jahr. Sie will zudem eine "Strompreisbremse" einführen, um zu hohe Gewinne der Konzerne zu verhindern. Privathaushalte sollen demnach eine "gewisse Menge Strom zu einem vergünstigten Preis" bekommen. Auch kleine Unternehmen sollen davon profitieren. Finanzminister Christian Lindner kündigte an, dass die Deutschen bei den Energiekosten mit einem zweistelligen Milliardenbetrag entlastet werden. Allerdings sind viele Details hier noch offen.

Klar ist dagegen, dass Rentnerinnen und Rentner Ende des Jahres eine Einmalzahlungen bekommen. Sie erhalten zum 1. Dezember 2022 eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro. Das entspricht insgesamt einer Entlastung von rund sechs Milliarden Euro brutto. Die Energiepreispauschale wird einmalig ausgezahlt. Auch Studierende sollen eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro erhalten. Dafür wird der Bund die Kosten tragen. Einen Termin gibt es dafür noch nicht. Man werde nun mit den Ländern beraten, wie die Auszahlung schnell und unbürokratisch vor Ort erfolgen kann, teilte die Regierung mit.

Geeinigt hat sich die Koalition auch auf ein Nachfolgelösung für das Neun-Euro-Ticket - allerdings nur in groben Zügen. Ziel sei eine Preisspanne zwischen 49 und 69 Euro im Monat, heißt es im Beschlusspapier des Koalitionsausschusses. Der Bund will dafür 1,5 Milliarden Euro zahlen, allerdings nur, wenn die Länder den gleichen Betrag bereitstellen. Damit allerdings ist die Einführung noch nicht sicher. Denn Bund und Länder müssen sich noch auf eine Finanzierung mit den Ländern einigen, die zumindest einen Teil der Kosten tragen müssten. Die Länder aber streiten derzeit heftig mit dem Bund über einen Rettungsschirm für die notleidende ÖPNV-Branche, den Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bislang ablehnt.

Omid Nouripour: Die Beratungen waren "lang und aufreibend"

Mehr Menschen als bisher sollen zudem Wohngeld bekommen. Der Kreis der Berechtigten werde auf zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger erweitert, so dass mehr Menschen in Zeiten stark steigender Energiekosten anspruchsberechtigt werden. Kanzler Scholz kündigte die Pläne als die seit langem "größte Wohngeldreform" an. Das helfe denjenigen, die ein kleines Einkommen haben, sagte er.

Grünen-Co-Chef Omid Nouripour räumte ein, dass die Koalition bei den Verhandlungen aneinander geriet. "Die Beratungen waren lang und aufreibend", sagte er. "Alle mussten einen weiten Weg gehen für einen großen Sprung. Aber wir werden uns nicht spalten lassen", sagte Nouripur. "Nicht von der russischen Aggression in der Ukraine. Und nicht von den steigenden Energiekosten." Man habe über schwere und existenzielle Fragen gesprochen, sagte SPD-Chefin Saskia Esken.

Die ersten beiden Entlastungspakete der Ampel-Koalition hatten ein Volumen von zusammen rund 30 Milliarden Euro. Etliche Maßnahmen sind Ende August ausgelaufen, dafür werden einige Finanzhilfen aus den Paketen erst im September ausgezahlt.

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