Energiekrise:Von Bremsen und Deckeln - ein Glossar für die Energiekrise

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Die Flamme eines Gasherdes brennt in einer Küche. Zur Entlastung der Gaskunden hat der Bundestag Soforthilfen als erste Stufe der Gaspreisbremse beschlossen. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Jede Krise bringt ihren eigenen Wortschatz mit sich. Seit Wochen sprechen alle von Gaspreisdeckeln, Strompreisbremsen und Grundlastfähigkeit. Aber was ist damit gemeint? Die wichtigsten Begriffe im Überblick.

Von Sarah Kohler und Leopold Zaak

Nur ein paar Wochen nach Ausbruch der Pandemie war zu beobachten, wie Begriffe, die man zuvor noch nie gehört hatte, plötzlich zum Alltag gehörten. Auf einmal benutzte man Wörter wie Inkubationszeit, Spike-Protein oder Kontaktperson. Jetzt, in der Energiekrise, tauchen neue Bezeichnungen auf, mit denen Politiker durch Talkshows ziehen und mit denen Expertinnen die Lage erklären. Gaspreisdeckel, Strompreisbremse, Netzstabilität, Flüssiggasterminals, Streckbetrieb: bei so vielen neuen Wörtern kann man schon mal durcheinanderkommen.

Die wichtigsten Begriffe im Überblick:

Gas

Was ist der Unterschied zwischen Gas und Flüssigerdgas?

Wenn über die Gaspreise gesprochen wird, begegnet einem das Gas in zwei Aggregatzuständen: flüssig und eben gasförmig. Anders als Wasser gefriert Erdgas nicht, wenn es kalt wird, sondern verflüssigt sich ab einer Temperatur von minus 161 Grad Celsius. Dabei entsteht das sogenannte Flüssigerdgas oder auch LNG ( Liquefied Natural Gas). Im flüssigen Zustand hat Erdgas weniger Volumen - das macht es leichter zu lagern und zu transportieren (siehe LNG-Terminals). Der Nachteil: LNG, das auch durch Fracking gewonnen wird, ist deutlich klimaschädlicher als gewöhnliches Erdgas, das etwa durch die russischen Pipelines nach Europa kam.

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Wie entsteht der Gaspreis?

Der Gaspreis ist den vielen Schwankungen unterworfen, die am Rohstoffmarkt herrschen. Er ist unter anderem davon abhängig, wie kalt oder warm es ist, wie viel Gas produziert wird und wie die Lieferbedingungen aussehen. Fällt also mit Russland einer der größten Gasproduzenten aus, steigt der Preis. Wird der Winter mild, so wie Klimaexperten das für die kommenden Monate in Deutschland voraussagen, sinkt er wieder. Neben der Beschaffung kommen aber noch zwei weitere Faktoren beim Gaspreis hinzu: die Kosten für die Verteilung des Gases in die Haushalte sowie Steuern und Abgaben. Die Erdgassteuer beträgt pro Kilowattstunde 0,55 Cent. Hinzu kommt noch die Mehrwertsteuer auf Gas, die von 19 auf nun sieben Prozent gesenkt wurde.

Derzeit ist der Gaspreis wieder gesunken und befindet sich sogar auf dem Niveau von vor dem Ukraine-Krieg. Weil die Speicher in Deutschland aber mit Gas gefüllt sind, das noch zu sehr hohen Summen besorgt werden musste, kommen die gesunkenen Preise nicht bei den Verbrauchern an.

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Was unterscheidet den Gaspreisdeckel von der Gaspreisbremse?

Dazu, wie die Verbraucher und die Industrie von den hohen Gaspreisen entlastet werden sollen, gibt es einige Ideen. Zwei davon sind: die Gaspreisbremse und der Gaspreisdeckel. Der von Olaf Scholz angekündigte "Doppelwumms" soll eine Gaspreisbremse für Deutschland enthalten. Die Bremse soll so aussehen: der Bund garantiert für 80 Prozent des Gasverbrauchs einen verbindlichen Preis, nämlich zwölf Cent pro Kilowattstunde. Die restlichen 20 Prozent sollen zum Marktpreis bezahlt werden. Gelten soll die Gaspreisbremse von März 2023 an, rückwirkend soll sie aber schon für den Februar gültig sein,

Nicht zu verwechseln ist die Idee der Bundesregierung mit dem Gaspreisdeckel. Der wird auf europäischer Ebene diskutiert. Viele europäische Staaten sprechen sich dafür aus, den Gaspreis staatlich zu begrenzen. Unter anderem Deutschland will das aber nicht. Das Argument: ein staatlich festgelegter Maximalpreis für Gas könnte dazu führen, dass Förderländer ihr Gas lieber in andere Regionen als in die EU liefern, so wie das zuletzt etwa Katar angekündigt hat. Als Kompromiss will die EU-Kommission nun die Möglichkeit schaffen, besonders hohe Preisspitzen für kurze Zeit zu deckeln. Der Gaspreisdeckel ist also eher ein Deckelchen.

Was ist ein LNG-Terminal?

Auf Schiffen wie diesen wird Flüssigerdgas transportiert. Im kommenden Jahr sollen die fünf deutschen LNG-Terminals fertiggestellt werden. (Foto: Issei Kato/REUTERS)

Deutschland soll bis Ende 2023 fünf LNG-Terminals bekommen, also Einrichtungen, an denen Flüssigerdgas umgeschlagen werden kann. Bisher hat Deutschland kein solches Terminal. An den LNG-Terminals legen Schiffe an, die mit Flüssigerdgas beladen sind. Dort wird das Gas entweder noch in flüssiger Form weiterverteilt oder in sogenannten Wiederverdampfungsanlagen erwärmt und wieder gasförmig gemacht, bevor es ins Gasnetz eingespeist wird. Die deutschen LNG-Terminals sollen sogenannte "Floating Storage and Regasification Units" werden, also schwimmende Gasterminals. Das Terminal liegt auf einem speziellen Schiff, zum Erwärmen des Gases wird das Wasser genutzt. Schwimmende Terminals sind meist günstiger als solche an Land, zudem können sie an verschiedenen Orten eingesetzt werden.

Was passiert in Gaskraftwerken?

Gas wird zu einem großen Teil in Deutschland für die Wärmeversorgung genutzt. In Gaskraftwerken wird es aber auch zur Stromerzeugung verwendet. Im vergangenen Jahr lag der Anteil von Erdgas bei der Stromerzeugung bei 12,6 Prozent, 2022 dürfte dieser Anteil deutlich sinken. Aber auch wenn es in der aktuellen Situation absurd erscheint: Auch in Zukunft werden Gaskraftwerke einen bedeutenden Teil an der Stromproduktion erfüllen. Es werden sogar neue Kraftwerke geplant und gebaut. Der Hintergrund: Gaskraftwerke können schnell ans Netz gehen und auch wieder vom Netz genommen werden. Daher eignen sie sich gut, Unregelmäßigkeiten bei der Versorgung mit erneuerbaren Energien auszugleichen (siehe Grundlast).

Strom

(Foto: Jochen Tack via www.imago-images.de/imago images/Jochen Tack)

Wie entsteht der Strompreis?

Der Strompreis entsteht nach einem europaweit einheitlichen Prinzip, der sogenannten Merit-Order. Die besagt, dass sich der Preis an dem Kraftwerk orientiert, das die höchsten Kosten bei der Stromproduktion hat. Strom, der etwa aus Wind- und Solarenergie erzeugt wird, ist verhältnismäßig günstig, Strom aus Erdgas ist im deutschen Strommix schon seit langer Zeit verhältnismäßig am teuersten. Anbieter, die zu günstigen Preisen produzieren, können also zum gleichen Preis abrechnen wie Gas-Stromanbieter (siehe Übergewinne). Insofern hängen Strompreis und Gaspreis zusammen. Eigentlich war das Ziel dieses Mechanismus, langfristig den Anteil der günstigeren erneuerbaren Energien im Strommix zu erhöhen. Wenn aber der Gaspreis so hoch ist, wie aktuell, dann steigt auch der Strompreis.

Wie funktioniert die Strompreisbremse?

Neben der Gaspreisbremse soll es auch eine Strompreisbremse geben. Die beiden Instrumente heißen ähnlich, funktionieren aber etwas anders, vor allem bei der Finanzierung: Während der Gaspreis mit dem 200-Milliarden-"Doppelwumms" gebremst werden soll, will die Bundesregierung das beim Strompreis über die Abschöpfung von sogenannten Zufallsgewinnen (siehe Übergewinne) tun. Ähnlich wie bei der Gaspreisbremse soll aber auch hier ein Kontingent festgelegt werden, für das der Staat einen stabilen Preis garantiert. Dieser sogenannte "Basisverbrauch" könnte bei 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs liegen und bei 40 Cent je Kilowattstunde angesetzt werden. Die Strompreisbremse soll im Januar kommen.

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Übergewinne und Zufallsgewinne - was ist das?

Lange Diskussionen gab es in der Ampelregierung über diese zwei Begriffe, hinter denen tatsächlich zwei unterschiedliche Konzepte stehen. Grüne und SPD wollten mit einer Übergewinn-Steuer vor allem auf die internationalen Energiekonzerne zielen, deren Gewinne wegen der hohen Öl- und Gaspreise während der Energiekrise gerade überraschend in die Höhe schossen - das sei wichtig für einen gerechten Ausgleich der Last. Die FDP hatte Bedenken und letztlich verhinderten auch rechtliche Hürden das Konzept.

Stattdessen hat die Regierung beschlossen, " Zufallsgewinne" einziehen zu wollen. Diese ergeben sich vor allem aus der Entstehung des Strompreises und treffen nun ganz andere: Da sich der Strompreis nach dem teuersten Produzenten richtet, und die Gaspreise gerade so hoch sind, erzielen andere Anbieter gerade Rekordgewinne - vor allem die erneuerbaren Energieerzeuger, deren Produktion vergleichsweise billig ist.

Was bedeutet Netzstabilität?

Einfach gesagt bedeutet Netzstabilität: Es wird so viel Strom in das (deutsche) Stromnetz eingespeist, wie auch gebraucht wird. Dadurch ergibt sich im Idealfall eine gleichbleibende Frequenz, also eine bestimmte Spannung, die bei 50 Hertz liegen sollte. Wenn die eingespeiste Strommenge zu gering ist, fällt die Frequenz, ist sie zu hoch, dann steigt sie. Schwankungen sind dabei völlig normal - nur zu groß sollten sie nicht sein, denn sonst droht im schlimmsten Fall ein Zusammenbruch des Netzes.

In der Diskussion um den Weiterbetrieb der drei verbleibenden Atomkraftwerke argumentierte beispielsweise Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, es brauche diese Kraftwerke erst einmal weiter, um die Netzstabilität vor allem im Süden des Landes gewährleisten zu können.

Grundlast - heute und in Zukunft?

Die sogenannte Grundlast ist die Menge an Strom, die konstant, also zu jeder Tages- und Nachtzeit, mindestens in einem bestimmten Gebiet, also zum Beispiel Deutschland, gebraucht wird, damit die Grundversorgung aufrechterhalten werden kann. Sie ergibt sich also aus der Menge an Strom, die nachts gebraucht wird, weil hier in der Regel nur Industrieanlagen, Dauergeräte und Beleuchtung genutzt werden; dazu kommen auch mal nachts laufende Waschmaschinen und Fernseher. In Deutschland liegt sie zwischen 40 und 60 Gigawatt. Einige erneuerbare Energien, vor allem Windkraft und Solarenergie sind nicht grundlastfähig - nicht immer weht ein Wind, die Sonne scheint nicht immer (anders sieht es bei Wasserkraft und Biomasse aus).

Das Heizkraftwerk Linden in Hannover wird mit Erdgas befeuert: Der Kompromiss öffnet auch eine Tür für Gaskraftwerke. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Also braucht es Kraftwerke, die diese Grundlast herstellen können. Dies sind im Moment neben Wasserkraftwerken vor allem auslaufende Energieerzeuger wie Kohle und Gas - das soll sich ändern. Zwar sind derzeit etliche Gaskraftwerke in Planung (siehe Gaskraftwerk), in Zukunft könnten diese aber mit grünem Wasserstoff und somit klimaneutral betrieben werden.

Warum wollen gerade alle eine Wärmepumpe?

Wärmepumpen entwickeln sich gerade zu beliebten und vor allem nachhaltigen Alternativen zu Öl- und Gasheizungen, denn sie erzeugen im richtigen Betrieb so gut wie kein CO₂. Um Hitze zu erzeugen, entzieht die Wärmepumpe ihrer unterirdischen Umgebung Wärme in Form von thermischer Energie und verdichtet sie. Die entstandene Hitze wird dann ins Heizsystem eingespeist. Die Wärmepumpe funktioniert damit praktisch wie ein Kühlschrank - nur umgekehrt. Die Anschaffungskosten sind zwar recht hoch; um damit aber Häuser zu heizen, ist es langfristig eine relativ günstige Variante. Momentan fördert die Bundesregierung zudem die Anschaffung von Wärmepumpen.

Atomenergie

Atomenergie, Kernenergie, Atomkraft, Kernkraft, Nuklearenergie - Gibt es da einen Unterschied?

All diese Begriffe sind Synonyme, die je nach politischem Kontext genutzt werden. Sie alle beschreiben dasselbe Phänomen: Durch Kernspaltung wird Energie gewonnen. Dieser Vorgang passiert in Atomkraftwerken und geht auf ursprünglich militärische Forschung zur Atombombe zurück.

Aber wie funktioniert das? Man spaltet die Kerne von Uranatomen (deswegen "Kern" statt "Atom"), die dabei Energie freigeben, Hitze erzeugen und dann wiederum als elektrischer Strom ins Netz geleitet werden. Weil diese Kernspaltung eine Kettenreaktion auslöst, ist diese Technik relativ ergiebig.

Der erste deutsche Atomreaktor war die Versuchsversion in Garching bei München, die 1957 in Betrieb genommen wurde. Vor allem seit den Reaktorunfällen in Tschernobyl und Fukushima-Daiichi gibt es Diskussionen um die Sicherheit der Reaktoren - der Grund, warum vor allem die Grünen und andere Atomkraftgegner auf ein Ende dieser Stromerzeugung dringen: Denn wenn die erzeugte Hitze außer Kontrolle gerät, kann es zu verheerenden Unfällen kommen.

Atomkraftwerke, Kernreaktoren und Brennstäbe - was braucht es wofür?

Um Kernenergie zu produzieren, bauen Energieunternehmen Atomkraftwerke, die mit einem Kernreaktor ausgestattet sind - auch Atomreaktoren oder Atommeiler genannt. In diesen Reaktoren findet die Kernspaltung zur Energiegewinnung statt.

Dafür bauen die Betreiber Brennstäbe in die Meiler ein: Rohre, die mit "Brennstoff" gefüllt sind, aber nicht im eigentlichen Sinne brennen. Stattdessen enthalten sie eine Mischung von Stoffen, die zur Kernspaltung genutzt werden.

In einem Abklingbecken wie diesem werden Brennstäbe gelagert, die nicht mehr genutzt werden. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

In Deutschland wird derzeit über die drei verbliebenen Atomkraftwerke diskutiert: Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland. Sie sollen bis Mitte April 2023 weiterbetrieben werden. Wichtig war den Gegnern vor allem, dass keine neuen Brennstäbe bestellt werden, denn: Jeder Brennstab muss wegen der im Prozess entstehenden Strahlung nach seinem Einsatz in einem Kernreaktor speziell endgelagert werden, bis er sozusagen "ausgebrannt" ist - und das dauert Jahrtausende.

Was ist denn nun eigentlich dieser "Streckbetrieb"?

In einen " Streckbetrieb" sollen die letzten drei verbleibenden Atomkraftwerke in Deutschland nach Willen von Olaf Scholz gehen, bevor sie Mitte April 2023 abgeschaltet werden. Eigentlich sollten die drei Kraftwerke Ende des Jahres schon abgeschaltet werden, doch weil ohne sie die Netzstabilität in Deutschland nicht garantiert werden kann, wird ihr Betrieb "gestreckt" - die Reaktoren werden über ihre übliche Nutzungszeit hinaus genutzt und produzieren weiterhin Strom. Das geht technisch für 80 bis 90 Tage, wobei die Reaktoren jedoch an Leistung verlieren. Die Idee ist, dass die "Restenergie" der Brennstäbe ganz ausgeschöpft wird.

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