Parlament:Geldsack im Keller

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"Das ist Schwachsinn": Die Union wollte sich mit den Ampelplänen nicht anfreunden. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Der Bundestag beschließt den 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm der Ampel gegen die Energiekrise. Die Debatte ähnelt einer früheren - mit vertauschten Rollen.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Wäre die Bundesregierung nicht die Bundesregierung, sondern ein einfacher Bürger, so hat der CSU-Politiker Florian Oßner am Freitag im Bundestag geunkt, dann hätte ihr die Bank längst alle Konten gesperrt. Man könne nämlich niemandem erklären, warum die Koalition einerseits 200 Milliarden Euro an Krediten aufnehmen will, um Bürger und Firmen in der Energiekrise zu unterstützen, ohne andererseits sagen zu können, wie genau das Geld ausgegeben werden soll. SPD, Grüne und FDP, assistierte Oßners CDU-Mitstreiter Mathias Middelberg, wollten vom Parlament "einen Geldsack, den sie sich in den Keller stellen", um bei Bedarf hineinlangen zu können.

Damit war der Ton gesetzt für die Parlamentsdebatte über jenen Abwehrschirm, mit dem die Regierung Bürger und Wirtschaft vor den schlimmsten Auswüchsen der Energiekrise schützen will. Dass man eine Gas- und eine Strompreisbremse sowie Hilfen für Firmen braucht, sahen auch die Oppositionsfraktionen so.

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Bei den Ampelplänen mitmachen wollten sie dennoch nicht: die Union, weil die Regierung die Kosten der einzelnen Maßnahmen noch nicht beziffern kann, den aus Corona-Zeiten stammenden Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) aber schon einmal reaktivieren und mit eben jenen 200 Milliarden Euro befüllen will; die Linke, weil die sozial Schwächsten aus ihrer Sicht wieder einmal die Gelackmeierten sind; und die AfD, weil sie nicht die Hand reichen wolle für die "dümmste Energiepolitik der Welt". Beschlossen wurde der Schutzschirm am Ende dennoch, mit den Stimmen der Koalition.

Laut Gesetzentwurf soll der WSF noch dieses Jahr mit Krediten ausgestattet werden, die dann 2023 und 2024 zur Finanzierung von Hilfen verwendet werden können. Ein Teil des Geldes soll durch die Abschöpfung von "Zufallsgewinnen" der Energieindustrie wieder hereinkommen.

Die Union hält das Vorgehen der Ampel für "Schwachsinn"

CDU-Mann Middelberg warf der Regierung in der Bundestagsdebatte vor, den "ganzen Sommer mit internem Streit verplempert" zu haben, statt die Details der Gas- und einer Strompreisbremse auszuarbeiten. Ergebnis sei nun, dass man vom Parlament Geld für ein Konzept verlange, das es noch gar nicht gebe. "Das ist Schwachsinn, was sie machen", sagte er.

Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Otto Fricke, entgegnete, mit dem WSF-Gesetz löse die Koalition ihr Versprechen ein, Bürger und Firmen in der von Russland verursachten Krise nicht alleinzulassen. Es sei auch richtig, die Hilfsmittel in einem Sondertopf statt im regulären Etat zu bündeln, weil damit gewährleistet sei, dass jederzeit, auch über das Haushaltsjahr hinaus, genügend Geld zur Verfügung stehe. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kritisierte, die Unionsfraktion verweigere sich einem Gesetz, das die Ministerpräsidenten von CDU und CSU unisono mittrügen.

Was Widersprüche angeht, lohnt im Übrigen auch ein Blick ins Bundestagsarchiv, denn eine fast identische Debatte wie am Freitag hatte es schon einmal gegeben: zu Beginn der Pandemie im März 2020, als der WSF geschaffen und mit 600 Milliarden Euro ausgestattet wurde. Auch seinerzeit - es regierten noch Union und SPD - war bei den Beratungen nicht klar gewesen, wann und wofür genau das Geld eingesetzt wird. Dennoch ermahnte ein führender Koalitionspolitiker die Opposition, sich nicht zu verweigern. "Das Schlimmste, das man in einer Krise machen kann, ist, sich wegzuducken und nichts zu tun", sagte er. Zwar wisse niemand, ob das, was man jetzt beschließe, richtig sei, weil das alles zum ersten Mal passiere. "Aber genau das, meine Damen und Herren, ist politische Führung: den Mut zu haben, Entscheidungen zu treffen, und den Mut zu haben, auch Fehler zu machen, denn das ist besser, als jetzt nichts zu tun." Der da sprach, war der damalige Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus, CDU/CSU.

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