Energiegipfel in Prag:Projekt: Südlicher Korridor

Europa ist abhängig von russischem Gas - zumindest bislang. Die EU will das ändern und strebt eine "neue Seidenstraße" an, die durch die Türkei verlaufen soll. Das Ziel sind Energiequellen in Zentralasien.

Die EU will den Aufbau der Gasversorgung aus Zentralasien vorantreiben und sich dadurch unabhängiger von russischem Gas machen. Auf einem Gipfel mit künftigen Liefer- und Transitländern vereinbarte die EU am Freitag dazu das gemeinsame Projekt "Südlicher Korridor".

Energiegipfel in Prag: Kontrolle einer Gas-Pipeline in der Türkei: Die Umgehung Russlands soll die Abhängigkeit der EU verringern

Kontrolle einer Gas-Pipeline in der Türkei: Die Umgehung Russlands soll die Abhängigkeit der EU verringern

(Foto: Foto: AP)

Es soll nicht nur die Energiekooperation stärken, sondern auch Investitionen in Transportwege sowie engere wirtschaftliche Beziehungen anstoßen. "Der südliche Korridor ist keine Einbahnstraße für Pipelines. Wir stellen uns das als neue Seidenstraße vor, wo Informationen, Waren, Menschen und Energie sich in beide Richtungen bewegen", sagte der scheidende tschechische Ministerpräsident und EU-Ratschef Mirek Topolanek.

Wie wichtig Alternativen zu russischem Gas sind, führte die Gaskrise Anfang des Jahres vor Augen, als mehrere EU-Länder wegen des Streits zwischen Russland und der Ukraine im kältesten Winter zwei Wochen lang von Gaslieferungen abgeschnitten waren.

Ein Fünftel der benötigten Menge

Im "Südlichen Korridor" sollen mehrere Gaspipelines wie das schon lange verfolgte Projekt Nabucco realisiert werden. Bestehende Hindernisse dafür sollen endlich aus dem Weg geräumt werden. Bis Juni soll dazu etwa ein Vertrag mit der Türkei als Transitland abgeschlossen werden. So schnell wie möglich wird auch eine Vereinbarung mit dem Irak angestrebt, der auf dem Gipfel aber nicht vertreten war.

Bisher war für Nabucco vor allem Gas aus Aserbaidschan vorgesehen, doch das würde nur ein Fünftel der benötigten Menge decken. Der Vertrag mit der Türkei würde zudem die geplante Türkei-Griechenland-Italien-Verbindung erleichtern. Auch dazu soll noch in diesem Jahr ein Abkommen geschlossen werden.

Die Türkei hat von höchster Stelle ihre Unterstützung für die Nabucco-Pipeline zugesichert, die Gas unter Umgehung Russlands nach Europa bringen soll. "Wir hoffen, dass die Verwirklichung von Nabucco Schwung für andere Projekte bringt", sagte der türkische Staatspräsident Abdullah Gül am Freitag in Prag beim "Energiegipfel" der EU.

Gül setzt auf Iran

Gül sagte laut Redemanuskript, die Türkei setze darauf, dass letztlich auch Iran mit anderen Gasproduzenten dazu beitragen könne, die Energiesicherheit Europas zu erhöhen. Gül sprach sich dafür aus, in den laufenden Beitrittsverhandlungen seines Landes mit der EU den Verhandlungsbereich für Energie zu öffnen.

EU-Energiekommissar Andris Piebalgs zufolge waren bei dem Prager Gipfel noch keine konkreten Mengenzusagen der potentiellen Lieferanten zu erwarten. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sagte, der Ausbau der Energieversorgung biete allen Beteiligten Vorteile: Die Lieferländer könnten auf die EU als verlässlichen und langfristigen Markt zählen. Die Transitländer hätten Zugang zu neuen Energiequellen.

"Wir müssen von Erklärungen zur Umsetzung kommen, das ist der richtige Zeitpunkt dafür", forderte Topolanek weiter. In Kreisen der tschechischen Ratspräsidentschaft wird davor gewarnt, dass Russland Gas aus Aserbeidschan und Turkmenistan wegkaufen und die Pläne der EU durchkreuzen könnte.

"Wie soll man einen Gasmarkt schaffen, wenn man nur einen oder zwei Lieferanten hat", sagte ein Vertreter der Präsidentschaft. "Das einzige was passiert, ist, dass die Preise explodieren." Russland und die Vereinigten Staaten waren als Beobachter zum Gipfel eingeladen. Teilnehmerländer sind Aserbeidschan, Ägypten, Georgien, Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan, die Türkei und die Ukraine.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: